30.03.2015

sofi oksanen: als die tauben verschwanden

als estland von der deutschen wehrmacht besetzt wird, verwischt edgar seine bisherige lebensgeschichte, nimmt einen neuen namen an und dient sich bei den nazis an um unter ihnen karriere zu machen. sein cousin roland, ein widerstandskämpfer, der sich einzig für die unabhängigkeit estlands einsetzt geht in den untergrund zu den waldbrüdern. der nazi-offizier, von dem sich edgar unterstützung für seine karriere erwartet, ist gleichzeitig der liebhaber seiner frau. doch die deutsche besetzung endet und die rote armee kommt zurück. edgar gelingt es, sich mit seiner wirklichen identität als opfer der deutschen darzustellen und läuft zu den kommunisten über. machthungrig und skrupellos schlägt er sich immer auf die seite der herrschenden.
dieser meisterhafte und spannende roman voll von intrigen, verrat, lügen und opportunismus, aber auch liebe, ehrlichkeit und patriotismus vor dem hintergrund der bewegten geschichte estlands ist nicht ganz einfach zu lesen. ein dichtes netz von handlungen und erlebnissen, verbindungen und verwandtschaften, die in sich abwechselnden zeitsprüngen zwischen den 1940er- und 1960er-jahren, fordern einen stark. erst beim zweiten lesen habe ich alle beziehungen und zusammenhänge verstanden.

10.03.2015

joachim b. schmidt: in küstennähe

die geschichte von zwei männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: grimur, der mürrische greis im altersheim, war einst wie gewohnt mit seiner schwester zum fischfang hinausgefahren und ohne sie zurückgekehrt. nie konnte geklärt werden, was damals genau geschah.
als in grimurs zimmer die heizung ausfällt, ist lárus als junger gehilfe des hauswarts bei der reparatur dabei. ihm wird schnell klar, wie er als junge mit seinen kameraden dem alten mann üble streiche gespielt hat. lárus' interesse ist geweckt, er will wissen, ob grimur seine schwester auf dem gewissen hat.
in dieser kleinräumigen welt, wo jeder jeden kennt, spitzt sich eine kraftvoll erzählte geschichte zu und zieht einen beim lesen ganz in den bann. so sehr, dass gegen das ende ein bedauern aufkommt, nur noch über wenige seiten in dieser archaischen welt verbleiben zu können.
«inspiriert durch gerüchte und erzählungen aus den fjorden westislands» steht nach dem ende des romans: genau so fühlt er sich an.