29.05.2016

christoph hein: glückskind mit vater

konstantin hat seinen im krieg umgekommenen vater – einen nazi-schergen – nie gekannt, aber dessen schatten liegt über seinem ganzen leben. für seine mutter ist er ein glückskind: schon ihre damalige schwangerschaft bewahrte sie am kriegsende vor einer verhaftung.
als jugendlicher in der ddr hat er wegen seines vaters trotz bester leistungen keine chance aufs gymnasium zu gehen. er verlässt seine mutter mit dem ziel fremdenlegion, bleibt dann aber in marseille hängen und verdient sich dort sein erstes geld, bis ihn die familiengeschichte wieder einholt. zurück in der ddr kämpft er darum, diese vergangenheit loszuwerden. zeitweise scheint es ihm zu gelingen, aber immer wieder bremst ihn seine herkunft aus. und auch zuletzt am ende der ddr steht er nicht auf der seite derer, die gewinnen.
während seines ganzen lebens hält er sich an seine moralischen und ethischen grundsätze, verzweifelt nicht und ist zufrieden mit dem, was ihm das leben bereithält. sein bruder hingegen hat weniger skrupel, lehnt sich von anfang nicht gegen die widrigkeiten des systems auf, sondern folgt ihm und schwimmt auch nach 1989 wieder obenauf.
einzigartig detailliert aufgezeichnet ist diese lebensgeschichte von konstantin, der immer wieder aus der schattenseite des lebens heraustreten kann. sein glück, dass die umstände beinahe undenkbares möglich machen, grenzt manchmal fast ans unwahrscheinliche.
auch wenn der roman die spannung nicht immer halten kann, liest er sich trotz des schwierigen und vielschichtigen themas leicht und irgendwie auch vergnüglich. schnell stellt man sich beim lesen auf die seite von konstantin und durchlebt mit ihm alles, was ihm das leben bietet oder vorenthält.

12.05.2016

thomas hürlimann: der grosse kater

der inhalt des romans sind zwei entscheidende tage im leben des bundespräsidenten. während des staatsbesuches des spanischen königspaars muss er sich zwischen öffentlicher verpflichtung und einem schwerwiegenden ereignis in seiner familie entscheiden: sein jüngster sohn liegt im spital im sterben. seine gegner stehen schon bereit, sein amt zu übernehmen und tragen einiges dazu bei ihn zu fall zu bringen. es ist eine spannende geschichte, die facettenreich aufzeigt, wie menschen mit macht und machterhalt umgehen. hier werden eigene schwächen verborgen und die der anderen erbarmungslos ausgenutzt. wunderbar gezeichnete figuren, die teils beinahe ans karikierende grenzen, beleben die handlung ebenso wie die persönlichen nöte des hauptprotagonisten. obwohl die immer wieder eingefügten rückblenden vieles aus der optik der gemeinsamen geschichte der handelnden erklären, stören eben jene zeitweise den handlungsfluss und machen ihn etwas unübersichtlich.

03.05.2016

jean rouaud: die felder der ehre

drei todesfälle in kurzer zeit sind der anlass zu diesem roman: der etwas eigenwillige grossvater, die fromme tante marie und der vater. liebliche, skurrile und manchmal auch etwas spezielle eigenschaften werden liebevoll und mit viel subtilem humor beschrieben. die reise geht zurück durch das letzte jahrhundert bis in die mitte des ersten weltkrieges. von den damaligen ersten giftgaseinsätzen ist auch diese familie betroffen. tote und kriegsversehrte soldaten sind zu beklagen. diese erfahrungen prägen die menschen.
der autor ist ein aufmerksamer betrachter und beschreibt exakt und liebevoll die geschichte einer ganz durchschnittlichen familie.