29.09.2022

michael köhlmeier: spielplatz der helden

in den 1980er-jahren durchqueren drei südtiroler alpinisten grönland an seiner breitesten stelle von ost nach west. schon in den ersten tagen streiten sie sich und sind einander feindselig gesinnt. trotzdem erreichen sie nach vielen entbehrungen das andere ende der eiswüste. dieser wahren begebenheit folgt der autor mittels fiktiver gespräche mit drei männern, in denen jeder aus seiner sicht erzählt. die beziehungsschwierigkeiten dieser zweckgemeinschaft treten in einer art psychogramm zutage. die gegenseitige abhängigkeit, die schwächen und stärken, die wechselnden allianzen innerhalb der dreiergruppe lassen die expedition mehrmals beinahe scheitern.
dieses unheimliche aber auch faszinierende unternehmen wird hier lebensnah aus drei perspektiven erzählt; spannend und zugleich tiefgründig. die drei männer pendeln zwischen heldentum und monstrosität, so dass beim lesen die frage aufkommt, worum es hier eigentlich geht. wer setzt sich warum freiwillig dieser unwirtlichkeit und gefahr aus? die frage was sie antreibt, bleibt aber offen. die daneben in der zweiten hälfte des romans immer mehr platz einnehmende geschichte des interviewers und der beziehung zu seiner frau stört den fortgang des eigentlichen themas, irritiert und enttäuscht mich etwas. trotzdem ein fesselndes buch, das ganz tief in die emotionen und abgründe der menschlichen seele blickt.

20.09.2022

daniel tammet: die poesie der primzahlen

zahlen sind nicht einfach zahlen, so könnte man es auf den punkt bringen. in diesem sehr persönlichen und emotionalen buch werden uns rechnerische aufgaben und mathematische fragen auf eine ganz besondere weise nahegebracht. selbst für menschen, die mit zahlen eher schwer haben, tut sich hier eine spannende welt auf. die 25 eigenständigen kapitel sind jedes eine mischung aus lebensgeschichte des autors, beschreibungen von mathematischen -- für den laien zuweilen rätselhaften -- highlights, sowie literarischen bezügen zum jeweiligen thema. wem in der schule dieses fach eher eine qual war und wer sich von rechenaufgaben eher fernhält, könnte beim lesen dieses buches neue entdeckungen machen und einen ganz anderen neuen zugang zur dieser wissenschaft finden. das wort poesie im titel verspricht nicht zu viel.

11.09.2022

alena mornštajnová: hana

mira wird als neunjährige während einer typhusepidemie zur vollwaise. zunächst findet sie aufnahme bei einer vierköpfigen pflegefamilie. als ihre ebenfalls totgeglaubte tante hana überraschend auftaucht, geht mira mit ihr, um fortan bei ihr zu leben. hana ist eine eigenartige, wortkarge frau, die sich oft zurückzieht. mira versteht dies nicht, schafft es aber durch ihre zuwendung und fröhlichkeit, sie für sich zu gewinnen. langsam nähern sich die beiden an. so erfährt mira langsam von hanas ueberleben in theresienstadt und auschwitz.
ein aussergewöhnliches buch, das uns durch seinen geschickten aufbau der handlung und viel feingefühl ganz unterschiedliche menschen in einer zeit existenzieller bedrohung nahebringt. das unsägliche leiden, die enttäuschungen und intrigen, die hana erleben muss, könnten anschaulicher nicht beschrieben werden. die meisterhafte schilderung ihrer inneren stimme, ihres ueberlebenswillens, aber auch ihrer verzweiflung machen den roman zu einem ganz speziellen zeitdokument, das ganz besondere beachtung verdient.