18.07.2024

percival everett: james

james ist der sklave bei mrs. watson, bei der huckleberry als pflegekind lebt. james und huck befreunden sich und beider ziel ist – wenngleich aus unterschiedlichen gründen – da wegzukommen: huck, weil sein trunksüchtiger vater zurückgekommen ist, vor dem er sich fürchtet und der ihn schlägt – james, weil seine familie an einen andern ort verkauft worden ist. ihr ziel ist einer der staaten, in dem es keine sklaverei gibt. james will da geld verdienen um seine familie freizukaufen. die beiden sind als unterschiedliches und auffallendes paar unterwegs. ein schwarzer sklave und ein weisser junge sind verdächtig und müssen sich verstecken. immer wieder begegnen sie gefährlichen situationen, werden verfolgt, treffen aber auch auf ihnen wohlgesinnte menschen, die sich aber nicht immer als solche bestätigen. james findet letztlich seine familie. sie schaffen es in den norden. huck trifft den entscheid, sich den unionisten im amerikanischen bürgerkrieg anzuschliessen.
hier dient der bekannte roman von mark twain als grundlage, um die geschichte von hukleberry finn aus einer anderen optik zu erzählen. die freundschaft zwischen den beiden, die im original nur eine randnotiz ist, wird hier zum zentralen thema. ein einzigartiges, brillantes werk, in dem trotz der himmelschreienden ungerechtigkeiten immer wieder auch hoffnung und humor durchschimmert. nichts belehrendes, nichts moralisierendes, mit der sozialkritischen thematik jedoch brandaktuell. spannend von der ersten bis zur letzten seite, ein richtiger lesegenuss.

02.07.2024

necati oeziri: vatermal

nachdem der vater seine familie verlassen hat und in die türkei zurückgekehrt ist, bleibt die mutter mit arda und seiner grösseren schwester aylin in einer stadt im ruhrgebiet zurück. in prekären verhältnissen alleinerziehend verfällt sie zunehmend dem alkohol und nimmt immer wieder andere männer über nacht zu sich nach hause. arda beginnt als kind erst spät zu sprechen, wird später ein guter schüler und verbringt viel zeit mit seinen freunden danny, savaş und bojan. kiffen, drogenkleinhandel, rappen, schlägereien, discobesuche und wiederkehrende polizeikontrollen beherrschen ihre freizeit. später verschwinden seine freunde einer nach dem anderen, er selbst besteht das gymnasium und zieht weg um zu studieren. er ist einer von denen, die es «schaffen». doch plötzlich ist er mit einer lebensbedrohlichen krankheit konfrontiert, die ihm vielleicht nur noch wenig zeit zum leben lässt. im spital beginnt er seinem vater über sich, sein leben und seine familie zu schreiben. dieser text wird zu diesem roman.
was für ein eindrückliches und bewegendes buch! sehr realistisch und ungeschminkt berichtet der autor mit starken bildern vom nicht einfachen leben und alltag eines jugendlichen mit migrationshintergrund. trotz der schwere des themas blitzt immer wieder zuversicht und humor auf. durch rückblenden werden immer mehr zusammenhänge klar. sehr stark ist die emotionale beschreibung seiner freunde und des verhältnisses untereinander. zu beginn leicht unübersichtlich, wird die geschichte immer spannender und direkter, bis ein berührender schluss einen etwas traurig zurücklässt.