30.10.2017

wilhelm kuehs: dianas liste

während des zweiten weltkrieges werden auch aus kroatien viele menschen als zwangsarbeitende nach deutschland verschickt. die zurückgebliebenen kinder werden in lager verbracht, in denen unvorstellbare zustände herrschen. mehr zufällig erfährt diana budisavljević davon und beginnt mutig und beharrlich, sich für diese kinder einzusetzen – zunächst beinahe alleine, später mit immer mehr helferinnen und helfern. so gelingt es ihr einen teil der not zu lindern und viele der kinder vor dem sicheren tod zu retten. ihr grosser verdienst ist jedoch auch das registrieren all der kinder, damit sie später wieder mit ihren eltern zusammengeführt werden können.
dieser biografische roman beschreibt das leben und handeln einer wohlhabenden und mutigen frau für die es keine religiösen, ethnischen oder weltanschaulichen grenzen gibt. die schonungslose beschreibung der gräueltaten während dieser zeit ist beinahe unerträglich harte kost und nur für leserinnen und leser mit guten nerven.
zudem öffnet der bericht über die kriegshandlungen im damaligen kroatien eine weitere optik auf den jugoslawienkrieg der 1990er jahre.

23.10.2017

lukas hartmann: auf beiden seiten

marios laufbahn als journalist ist in einer zunehmenden abwärtsspirale und auch die ehe mit bettina ist in die brüche gegangen. bettinas vater war seinerzeit der deutschlehrer marios und er dessen lieblingsschüler. während bettinas vater aber auch mitglied einer illegalen geheimorganisation war, die das land im falle eines angriffes aus dem osten retten wollte, sympathisierte mario mit der studentenbewegung von 1968. diese zwei unvereinbaren positionen treten in diesem roman in einer langsamen retrospektive immer mehr zu tage und zeichnen das bild einer möglichen familiengeschichte.
ein sehr politisches buch, das trotz der vielen zusätzlichen protagonistinnen und protagonisten gut zu verstehen und nachzuvollziehen ist. detailliert gezeichnete figuren und psychologisch eindringlich geschilderte handlungen lassen die zeit des kalten krieges auferstehen und zeigen, wie private beziehungen davon dominiert worden sind.

17.10.2017

colm tóibín: brooklyn

eilis steht immer etwas im schatten ihrer erfolgreichen schwester rose. im irland der 1950er jahre ist es schwierig arbeit zu finden. so nutzt eilis die gelegenheit nach new york auszuwandern um dort zu arbeiten. heimweh und einsamkeit plagen sie in der fremde, bis sie tony kennen und lieben lernt. doch plötzlich wird sie wegen eines tragischen ereignisses in ihrer familie nach hause zurückgerufen. in der heimatlich-vertrauten umgebung trifft sie wieder auf jim, der um sie wirbt. eine schwierige entscheidung, zwischen zwei welten und zwei männern steht an.
eine liebevoll und zart geschriebene liebesgeschichte, die einfühlsam die begegnungen der jungen leute unterschiedlicher sozialer herkunft beschreibt. in der verklemmtheit und prüderie jener zeit, findet die junge eilis mutig – wenn auch manchmal nicht ohne selbstzweifel – ihren weg und wird zur selbstbestimmten frau. manchmal läuft die geschichte etwas sehr rund und wird auch zum «stoff aus dem die träume sind». da passt es nur, dass der roman zur vorlage eines hollywood-films werden konnte.

07.10.2017

silvio huonder: dicht am wasser

in einem brandenburgischen dorf ausserhalb berlins leben neben den einheimischen auch etliche zugezogene, junge familien, die sich alle untereinander kennen. das beschauliche leben der zuzüger nimmt jäh ein ende, als der neunjährige nelson nach dem klavierunterricht nicht nach hause kommt. während er sich versteckt, damit er das jährliche vorspiel in der dorfkirche nicht bestehen muss, werden die beziehungen zwischen den menschen auf einer harte probe gestellt. die bisherige harmonie erweist sich als wenig tragfähig.
die ueberforderung des kindes, die beziehungen der zugezogenen familien untereinander und zu den ursprünglichen, noch von der ddr geprägten einwohner, werden zu zentralen elementen der geschichte. an diesem einen tag wird vieles in frage gestellt, was bisher selbstverständlich war. das buch – sowohl eine psychologische studie als auch ein krimi – ist tiefgründig, spannend und leicht zu lesen, auch wenn die vorstadtidylle manchmal etwas plakativ daherkommt.

04.10.2017

flurin jecker: lanz

in der projektwoche seiner schule entscheidet sich lanz für den kurs «blog schreiben», nicht weil es ihn wirklich interessiert, sondern weil er gehört hat, dass sich seine mitschülerin lynn auch dort angemeldet hat. die enttäuschung ist gross am ersten tag: sie ist nicht da und sein meist gehasster lehrer unterrichtet. schon die suche nach titel und inhalt eines blogs gestaltet sich schwierig, bis er sich entscheidet über die projektwoche selbst zu schreiben. immer mehr wird es aber ein schreiben über seine persönlichen verhältnisse und seine gefühlslage.
unterhaltsam aber manchmal auch nachdenklich und voller zweifel wird man hier durch eine woche des lebens eines jugendlichen geführt. die erfrischende, jugendliche sprache besticht und es finden sich immer wieder überraschende wendungen im ablauf der geschichte.