27.07.2018

alex capus: patriachen

aus dem 19. jahrhundert stammen die meisten industriellen, von denen alex capus berichtet. elf männer unterschiedlichster herkunft, die in jener zeit zu gründern von dereinst grossen marken wie nestlé, bally, maggi oder brown boveri wurden. trotz ihrer verschiedenheit hatten sie vieles gemeinsam: erfindergeist, mut und geschäftssinn. in jener zeit des aufbruchs und der industriellen revolution waren aufstieg und niedergang oft sehr nahe beieinander.
die zehn spannenden berichte, die ein stück industriegeschichte der schweiz aus einer anderen optik beleuchten kommen leicht daher und sind wunderbar zu lesen. hier lernen wir diese menschen irgendwie persönlich kennen und erfahren über glück, not, zweifel, durchbrüche und misserfolge. die nach jedem kapitel angefügte chronologie erleichtert nicht nur die zeitliche einordnung sondern berichtet auch, was aus den damals gegründeten firmen heute geworden ist. es ist schlicht ein gekonnt geschriebenes buch über schweizerische industriegeschichte, eines von ganz besonderer art.

11.07.2018

daniel zahno: alle lieben alexia

acht unterschiedliche männer haben alle eines gemeinsam: sie sind in die gleiche frau verliebt. alexia ist maskenbildnerin und musikerin, ganz klar wird das nicht. auch sonst bleibt sie eigentlich weitgehend unsichtbar. jedem mann ist ein kapitel gewidmet, in dem seine geschichte mit dieser frau beschrieben wird.
schon allein die unscharfe beschreibung des profils von alexia zeigt, wie viel bei schwärmerei und verliebtheit projektion ist. sprachlich vielseitig und wunderschön lesen wir über zweifel und hoffnung der männer, treffend beschrieben sind deren gefühle. am schluss erfährt das buch eine überraschende auflösung. ein leicht zu lesendes, aber doch tiefgründiges buch ohne eigentliche handlung, das einfach freude macht.

05.07.2018

john henry mackay: der puppenjunge

unabhängig voneinander verlassen zwei männer ihre heimat in der provinz, um in das berlin der «goldenen zwanziger jahre» zu ziehen. günther, erst 15 jahre alt, gerät schnell in die stricherszene. hermann, der der enge seines dorfes entkommen will, träumt von der grossen liebe. zufällig treffen die beiden aufeinander, ein kompliziertes verhältnis beginnt: beide gehen von grundsätzlich anderen vorstellungen aus.
eine streckenweise sehr sentimentale und manchmal auch überzeichnete geschichte, geschrieben in einer sprache aus jener zeit. das spannende ist nicht eigentlich diese unerfüllte liebe, sondern der tiefe und authentisch geschilderte einblick in das leben an diesen treffpunkten. dies in einem jahrzehnt als der paragraf 175 in deutschland homosexualität noch lange vollkommen unter strafe stellte. insgesamt ein lesenswertes zeitbild.

02.07.2018

orhan pamuk: die rothaarige frau

cem findet in seinem lehrmeister, dem brunnenbauer murat, auch eine art vater. gemeinsam graben sie einen brunnen, abends nach getaner arbeit gehen sie ins dorf. dort begegnet er einer rothaarigen frau und verliebt sich in sie. an einem tag trifft den meister ein unfall, an dem sein lehrling schuld hat. cem flüchtet und versucht alles hinter sich zu lassen, wird aber seine schuldgefühle nie ganz los. viele jahre später kehrt er an den ort zurück und macht eine überraschende und schwerwiegende entdeckung.
alte griechische und persische sagen sind die vorlage für diese in der jetzigen zeit sich wiederholende geschichte. die platzierung der handlung ins leben der heutigen türkei, aber auch die einzelnen schicksale der menschen machen den roman zu einer spannenden, bildhaften lektüre über verbotenes und verborgenes, über schuld und unschuld, über freiheit und zwänge.