28.09.2018

thomas melle: die welt im rücken

der autor schreibt in diesem buch über seine bipolare störung. vom ersten ausbruch der krankheit bis zu einer – wahrscheinlich erfolgreichen – therapie vergehen jahre, in denen er zeitweise kaum arbeiten kann, freunde verliert und zum sozialhilfeempfänger wird. mehrere aufenthalte in psychiatrischen kliniken gehören ebenso zur geschichte, wie höhenflüge, in denen alles möglich scheint und er denkt, die ganze menschheit müsse ihn kennen. das jeweilige ende der manischen phasen, die teilweise über ein jahr dauern, lässt ihn in eine tiefe depression fallen. keinen einfluss auf das geschehen und das eigene handeln zu haben, ist eine prägende erfahrung.
erstaunlich, wie leicht sich dieses buch lesen lässt. ueber mehr als 400 seiten beschreibt thomas melle brillant, wortgewaltig und eindrücklich die geschichte seiner manisch-depressiven erkrankung. fern von lamentierender betroffenheitsliteratur geht er seine geschichte, sein erleben, analytisch an, beobachtet exakt nicht nur sich selbst, sondern auch die reaktionen seines umfeldes, und lässt dies alles in seine texte einfliessen. er gibt uns einen aussergewöhnlichen einblick in seine erkrankung.

20.09.2018

fabio volo: seit du da bist



nicola – lange junggeselle – verliebt sich in sofia. nach einiger zeit ziehen sie zusammen und nichts scheint ihnen etwas anhaben zu können. doch dann wird sofia schwanger und mit der geburt wird alles anders. die beziehung der zwei verändert sich. sofia scheint ihm immer fremder zu werden und er trauert seiner freiheit nach. lange wagt er nicht darüber zu reden und als er es endlich tut, wird es für beide eine befreiung: nicola findet sich in seiner rolle als familienvater und die beiden finden wieder zueinander.
ein buch voll von psychologischen betrachtungen, die fast als ratgeber für männer in einer ähnlichen situation zu empfehlen wäre. schade, dass die geschichte zuweilen in trivialität abgleitet und der text wiederholt pornografische komponenten aufweist. dieses wechselbad beim lesen ist vielleicht gewollt, aber anstengend. geschrieben aus ziemlich einseitiger männersicht ist der roman auch etwas zu testosterongesteuert.

14.09.2018

robert seethaler: das feld

das feld, so wird der friedhof genannt. selbsterzählte lebensgeschichten der hier begrabenen, zwiegespräche zwischen toten und ihren besuchern und weitere erzählungen ergeben ein bild vom leben der gemeinschaft dieses ortes. jedes kapitel ist einem anderen toten gewidmet.
das buch ist eine wunderbare idee, das bild des lebens vieler menschen zu zeichnen: erfolgreiche, arme, versager, glückliche, traurige, alte und jungverstorbene kommen hier zu wort, jeder und jede auf seine weise. hier wird berichtet von missverständnissen, hoffnungen, liebe, einsamkeit, und dies alles auf eine direkte und einfache weise. ein ruhiges und faszinierendes buch, das ohne spannung auskommt.

07.09.2018

ibrahim al-koni: das herrscherkleid

die geschichte handelt von assanâj, der herrscher einer oase in der wüste geworden ist. sein herrscherkleid – das symbolisch für die macht steht – verwächst mit seiner haut und als es zurückgefordert wird, kann er es nicht mehr ablegen. nur sein tod wird ihn davon befreien können. in den vielen kapiteln treffen wir auf die macht und ihre folgeerscheinungen wie korruption, begünstigung, vetternwirtschaft und mehr. so abstrahiert sie daher kommen, erkennt man sie beim lesen gleich und sieht sich an heute amtierende diktatoren und despoten erinnert.
mit dieser feinen und sensiblen parabel beschreibt der autor nichts anders, als politische systeme und deren herrscher, die, auch wenn sie zu beginn ihrer regierungszeit nur gutes beabsichtigen, ihre macht so lieben, dass sie letztlich alles nur noch auf deren erhalt ausrichten.