17.02.2021

urs augstburger: schattwand

severin somm macht sich auf nach dem abgelegenen bergdorf gspona. dort steht ein altes haus, das ihm sein nachbar vererbt hat. bald erfährt er, dass die schöne lucrezia darin ein lebenslanges wohnrecht hat. das verhalten der wenig gesprächigen dorfbewohner ist rätselhaft und als er im haus einen zugemauerten raum entdeckt ist severins neugier unwiderruflich geweckt. so beginnt er einer dramatischen geschichte auf die spur zu kommen, die sich vor einem halben jahrhundert ereignet hat und kommt dabei auch der sich anfänglich eher feindselig verhaltenden lucrezia näher.
schnell nimmt der text spannung auf und man ist mitten im geschehen. die bildreiche sprache, die wun­der­bar beschriebenen originale von menschen und die schnellen, manchmal abrupten szenenwechsel sind höhepunkte, die einen das buch kaum weglegen lassen, bevor es zu ende gelesen ist. die abschnitte der aufkommenden erotischen spannung zwischen lucrezia und severin sind dagegen eher schwach und langweilen beinahe.

14.02.2021

tim krohn: irinas buch der leichtfertigen liebe

der ganze roman hat zwei ebenen. der autor lernt eine frau kennen, der er verspricht ein buch für sie zu schreiben. so entwickelt er jede nacht ein kapitel und faxt es ihr am morgen. abends erreicht ihn ihr kommentar. sie kritisiert, lobt und bestimmt, wie die handlung sich weiterentwickeln soll. daraus entsteht diese geschichte: dunia ist eine in paris lebende russin, die ihrem mann einen fax nach moskau schicken will. unglücklicherweise landet das dokument bei seiner früheren geliebten ewa in schweden. das sorgt für einige missverständnisse und verwirrungen. als ewa beschliesst nach paris zu reisen, wird alles noch komplizierter; der moment, als sie bei dunia vor der wohnung steht, könnte ungünstiger nicht sein.
ein dichter und verwegener text dessen zwei ebenen immer wieder parallel verlaufen und die orientierung beim lesen nicht einfach machen. viel fiktion, interpretation, emotion und projektion zeigen auf, wie zauberhaft schön, aber auch kompliziert liebesbeziehungen sein können. trotz oder gerade wegen dieser anspruchsvollen anlage vermag die geschichte einen zu fesseln.


06.02.2021

melinda nadj abonji: im schaufenster im frühling

luisa ist ein waches und aufmerksames mädchen. schon als kind ist sie anders als die anderen. langsam wird sie älter, kommt in die adoleszenz und wird eine junge frau. der einfluss ihrer freundin valérie ist nicht unbeachtlich und auch nicht immer nur gut. luisa lässt sich mit frank ein, für den sie eher eine art geliebte ist und dann ist da noch ihre nachbarin, eine ältere dame, zu der sie immer wieder vertrauen hat.
ganz subtil und zart wird hier die schwierigkeit des andersseins und des erwachsenwerdens beschrieben. der blick in diese jungmädchenwelt erfolgt durch szenen, die einen trotz der schnellen wechsel den ueberblick nicht verlieren lassen. bei aller ernsthaftigkeit des themas und den nicht wenigen schwierigen momenten hat der text etwas leichtes, beinahe flüchtiges.

01.02.2021

terézia mora: das ungeheuer

das leben von darius kopp, einem bisher erfolgreichen informatik-experten, nimmt eine dramatische wendung, als er seine stelle verliert und seine frau flora sich umbringt. lethargisch, verzweifelt und ohne ziel haust er in seiner wohnung und die versuche seines freundes juri, ihn wieder zurück ins arbeitsleben zu bringen scheitern. die urne mit der asche floras und ihr geheimes tagebuch nimmt er mit und bricht auf zu einer fahrt in richtung osteuropa. die geschichte entwickelt sich zu einer art road-movie während darius beim lesen des tagebuchs erfährt, wie wenig er seine frau kannte.
die beiden texte – darius' geschichte und floras tagebuch – laufen fortlaufend und getrennt untereinander über die seiten ohne dass ein direkter bezug ersichtlich würde. eine nicht einfach zu lesende sprache, die mit ihren vielen kurzen, oft unvollständigen sätzen, einen besonderen leserhythmus erzeugt, dominiert die geschichte von darius. das tagebuch seiner frau setzt sich aus einträgen zusammen, von denen viele eher unverständlich sind. der ganze roman vermag über weite strecken keine spannung zu erzeugen. auch habe ich vieles schlicht nicht verstanden, es begann mich zu langweilen und nach zwei dritteln der fast 700 seiten habe ich aufgegeben.