25.10.2022

christian kracht: eurotrash

christians besuch bei seiner etwas dementen, aber sehr reichen mutter beginnt in einer psychiatrischen klinik und führt sie zunächst nach saanen und gstaad, die orte seiner kindheit. sie fahren weiter, ändern spontan immer wieder ihre reiseziele, was das ganze zu einer art roadmovie werden lässt, während diesem sie wiederholt unwahrscheinliche situationen heraufbeschwören und erleben. so gelangen sie an verschiedene orte, die in ihrer vergangenheit eine rolle gespielt haben. während am anfang ein vielversprechender ansatz in der auseinandersetzung um die nazi-vorfahren steht, entwickelt sich die geschichte immer skurriler. klassische mutter-sohn-dialoge und kaum glaubwürdige begebenheiten wechseln sich ab. sie lassen die handlung ohne ersichtliches ziel dahin mäandern.
während sich mir der sinn des buches kaum erschlossen hat, liess mich lediglich die virtuose sprache noch weiterlesen. die zu beginn aufkommende spannung und faszination hält nicht an, gegen das ende zieht sich die geschichte in die länge und findet einen etwas offenen und unwirklichen schluss. so versteht man zumindest die zweite hälfte des buchtitels.

17.10.2022

joseph andras: die wunden unserer brüder

der algerienfranzose fernand iveton ist ein überzeugter kommunist, gegner des kolonialismus frankreichs und verfechter der freiheit des algerischen volkes. für die unabhängigkeit des landes riskiert er viel, legt eine bombe, wird dabei aufgegriffen und zum tod verurteilt. weder das letztinstanzliche urteil noch ein begnadigungsgesuch beim französischen präsidenten ändert dieses verdikt. obschon seine tat keine todesopfer forderte, wird mit der zu unrecht ausgeführten todesstrafe an ihm ein exempel statuiert.
mit diesem auf einer wahren geschichte beruhenden buch wird nicht nur fernand iveton ein denkmal gesetzt, sondern auch die realität und die ungerechtigkeit der französischen kolonialherrschaft treffend aufgezeigt. ungeschminkt, schonungslos offen beschreibt der autor die zustände an den gerichten, in den gefängnissen und auf polizeistationen. die rechtlosigkeit der angeklagten oder verdächtigten menschen erscheint drastisch, folter ist eine gängige verhörmethode. dagegen stehen die solidarischen momente mit mitgefangenen. auch die starke liebe seiner frau, die unerschrocken zu ihm steht und ihn mit viel mut moralisch unterstützt, lässt ihn viel ertragen. zu beginn sind die innerhalb der kapitel immer wieder auftretenden zeitsprünge etwas irritierend, was sich aber mit der zeit gibt. nicht nur ein sehr berührender, sondern auch politischer roman, der ein uns nicht so bekanntes stück neuere kolonialgeschichte näher bringt.

 

07.10.2022

nicolas matthieu: rose royal

rose hat ihre kinder grossgezogen, eine scheidung ausgestanden und steht beruflich nicht schlecht da. noch ist sie eine attraktive erscheinung, weiss dies auch und trifft sich immer wieder mal mit männern. aber sie glaubt nicht mehr wirklich daran, einen mann fürs leben zu finden. doch dann lernt sie den eher zurückhaltenden und etwas rätselhaften luc kennen. immer mehr verlässt rose ihr bisher selbstständiges leben, gibt ihre wohnung auf, vernachlässigt ihre freundinnen und zieht ganz zu ihm. sie kündigt ihre arbeitstelle und beginnt für ihn zu arbeiten. aber immer schwieriger wird die beziehung, streit und versöhnung werden zur regel. rose realisiert, dass sie in einem goldenen käfig sitzt, den zu verlassen sie nicht schafft, bis alles eine unerwartet böse wendung nimmt.
in einem kurzen und prägnanten roman wird hier die vielleicht exemplarische geschichte einer frau in der mitte des lebens erzählt. das buch ist ein lehrstück über die mechanismen von macht und abhängigkeit im traditionellen rollenverhalten von mann und frau und führt vor augen, wie subtil sich solche beziehungsgefälle entwickeln können. starke und präzise bilder machen aus dem handlungsarmen geschehen eine spannende und überraschende geschichte.