23.02.2025

jens steiner: die ränder der welt

kristian kommt als kleiner junge mit seinen eltern aus estland in die schweiz. langsam wagt er sich, mit den nachbarskindern zu spielen und befreundet sich mit mikkel, dessen faszination sich keines der kinder ganz entziehen kann. die zwei werden unzertrennliche freunde. mikkel zieht später nach dänemark, bald folgt ihm kristian nach kopenhagen, wo er seine grosse liebe selma kennenlernt. doch irgendwann erfährt kristian, dass selma auch mit mikkel eine beziehung angefangen hat. enttäuscht und wütend verlässt er kopenhagen ohne ziel und landet verschiedener umstände wegen in argentinien. dort heiratetet er später, hat zwei söhne und findet endlich seine bestimmung, künstlerisch zu arbeiten. jahrzehnte später kehrt er nach europa zurück, zunächst seines sterbenden vaters wegen, danach um der geschichte seiner vorfahren nachzugehen nach estland. von dort fährt er nach dänemark um mikkel zu verzeihen. doch er kommt zu spät.
die geschichte beginnt auf dem weg zu einem letzten treffen der beiden männer. von dort aus wird die einzigartige freundschaftsgeschichte, die an verschiedenen schauplätzen handelt, aufgerollt. die beiden hauptprotagonisten bleiben einander während des ganzen lebens, trotz aller widrigkeiten, immer eng verbunden. die abfolge von scheinbar zufälligen ereignissen wirkt manchmal etwas unwahrscheinlich, hält aber die handlung auf eine angenehme weise am laufen. ein leicht zu lesender, schöner roman, dessen grundbotschaft aber irgendwie nicht erkennbar wird.

17.02.2025

daniel glattauer: gut gegen nordwind

eigentlich will emmi rother nur ein abonnement kündigen. in der e-mail-adresse macht sie jedoch einen tippfehler und so kommt ihre mitteilung bei leo an. mit seiner antwort beginnt ein austausch, der anfänglich eher unverbindlich ist. sie kommen sich beim schreiben aber näher, teilen mit der zeit sehr persönliche dinge. später denken sie darüber nach sich persönlich zu treffen. sie vereinbaren termine, die sie wiederholt im letzten moment platzen lassen. die angst, der zauber dieser schriftlichen konversation könnte einer enttäuschung weichen, ist latent immer vorhanden. mehrere versuche, diese schreibbeziehung zu beenden scheitern, bis leo eine gravierende entscheidung trifft.
es ist eine treffende parabel über beziehungsmuster. obschon die beiden nur schriftlich in kontakt sind, erleben sie hier viele freuden und sorgen einer realen partnerschaft. dies spiegelt dieser roman auf eine wunderbare weise wieder und baut dabei eine erstaunliche spannung auf. ernsthaft und tiefgründig aber auch unterhaltsam und witzig beschreibt der autor eine geschichte zwischen zwei menschen, die voll von ungewissheiten und projektionen ist. dieses sprachlich überraschende leseerlebnis sollte man nicht verpassen.

09.02.2025

alexandre lecoultre: peter und so weiter

jemand wie peter wird heute oft als randständiger bezeichnet. er hält sich mit gelegenheitsarbeiten über wasser, sitzt oft im wirtshaus, wo er sich mit freunden in ähnlichen lebenssituationen trifft. auch legt er keinen grossen wert auf seine kleider und erscheinung. er beobachtet viel und gut. seine gedanken über alles mögliche teilt er oft ungefragt mit, was nicht immer auf interesse oder zustimmung stösst. sein grosser traum jedoch ist eine frau und damit die grosse liebe zu finden. beinahe scheint dies zu gelingen.
faszinierend starke beschreibungen von alltagssituationen sind eine stärke dieses textes, der auch durch den wechsel zwischen mehreren dialekten und sprachen besticht. so wie peter durchs leben mäandert, tut dies der autor literarisch. er lässt einen mit liebe und zuwendung in eine welt von menschen am rande der gesellschaft eintauchen. schell wird man gefangen von der meisterhaften arbeit der uebersetzerin: ihr zusätzlicher eigener text berichtet über diese herausforderung und lässt einen noch näher ans fran­zösische original rücken.

01.02.2025

julia schoch: das liebespaar des jahrhunderts

ueber dreissig jahre sind sie zusammen, haben gemeinsam kinder grossgezogen, krisen bewältigt, schöne reisen gemacht, wohnungswechsel hinter sich gebracht und vieles mehr. beide hatten ihre seitensprünge und aus der anfänglichen grossen liebe ist viel gewohnheit geworden. sie haben sich von einander entfernt, sind sich wieder näher gekommen und gingen immer mal wieder eigene wege. die frau entschliesst sich zur trennung und beginnt das ganze gemeinsame leben revue passieren zu lassen. doch das aussprechen der drei worte «ich verlasse dich» gelingt ihr nicht.
mit einer akribischen genauigkeit analysiert sie in diesem an ihren mann gerichteten text ereignisse in ihrem langen gemeinsamen leben. rationale einschätzungen wechseln ab mit emotionalen momenten, gute mit schlechten erinnerungen, tage der nähe und tage der distanz. beim lesen trifft man immer wieder auf momente, die das eigene beziehungsleben aufscheinen lässt, auf klippen, die man selbst erfolgreich umschifft hat oder probleme, die man gemeinsam gemeistert hat. so lässt einen das buch eigene beziehungsmuster hinterfragen.