schon im kindergarten tauscht erika
mit herbert die kleider. sie kommt mit seinen nach hause, er mit
ihren, was von beiden elternpaaren auf unterschiedliche weise nicht
goutiert wird. erika ist schnell klar: sie ist ein junge in einem
mädchenkörper, ihr ziel ist als mann, als erik zu leben, was sich
in dem bürgerlichen milieu von nidau, ihrem wohnort, schwer umsetzen
lässt. es heisst warten bis zur volljährigkeit. dann beginnt ein
neuer lebensabschnitt an einem neuen ort als kehrrichtmann. so
verrichtet erika als erik täglich im team mit seinen kollegen die
arbeit. als er eines tages mit bauchschmerzen notfallmässig ins
spital gefahren wird, erfahren seine wartenden kollegen von seiner
niederkunft mit einer tochter. was zunächst unerklärlich und
skandalös ist. erik, dessen geheimnis nun nicht mehr zu halten ist,
flüchtet während der nacht mit dem neugeborenen aus dem wochenbett und verschwindet. mit
der unterstützung seines alten freundes herbert, der mittlerweile in
paris lebt, landet er in venedig, wo ihn niemand kennt. viele
wundersame begegnungen und ereignisse beginnen sein leben zu
verändern – endlich findet er ruhe, frieden und gute freunde.
eigentlich besticht diese schöne
geschichte schon alleine durch ihr wertfreies, offenes daherkommen
ohne einen wissenschaftlichen anspruch auf korrektheit. streckenweise
durchaus etwas unwirklich und phantasievoll, hat der autor trotz des
nicht einfachen themas etwas märchenhaftes, leichtes geschaffen, das
das lesen zu einer richtigen freude macht. ein überraschender aufbau
und eine – ihnen aufmerksam zugewandte – liebevolle zeichnung aller
figuren prägen dieses buch ebenso wie der manchmal durchscheinende
berner witz oder die milieubeschreibungen der bürgerlichen
gesellschaft nidaus. venedig als schöne kulisse zu wählen ist nicht
nur dankbar, sondern hier sehr stimmig, auch – oder vielleicht weil
– das geografische nicht so genau genommen wird. dass
zwischenhinein auch möbel und andere gegenstände zu worte kommen,
macht alles noch vielgestaltiger. ob der name, erika/erik, bewusst
gewählt wurde? mich erinnert es gleich an die damalige
österreichische skirennfahrerin, die zwar aus einem anderen grund
von erika zu erik wurde. es könnte ein aufklärungsbuch sein, aber
nicht alles muss gelöst oder analysiert werden. so wird es zu einer
art ode an die freiheit, diversität einfach zu leben.
16.12.2025
res brandenberger: einer wie erik
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