11.02.2012

ascanio celestini: schwarzes schaf

nicola, seit 35 jahren in einer psychiatrischen klinik, erzählt von seinem leben dort und beschreibt nebenbei die erschreckenden zustände in dieser anstalt. es wird nie ganz klar, wer hier verrückt ist, wer irre und wer nicht. die entdeckung, dass die pillen gegen die angst nichts nützen, nie genützt haben, führt ihn zum schluss, dass angst gar keine krankheit sein kann. zuletzt verlässt er die anstalt und ist frei.
ein heftiges aber auf seine art auch schönes buch, das auf den etwas mehr als hundert seiten einen blick in die irrenhäuser italiens freigibt. nicht ganz einfach zu lesen. es erfordert viel konzentration, um in den sich wiederholenden ereignissen den ueberblick nicht zu verlieren. ein buch, in dem ich immer wieder zurückblättern musste um vorangegangene passagen erneut zu lesen.

04.02.2012

perihan mağden: ali und ramazan

ramazan hat im waisenhaus eine besondere stellung. er wird vom masslos in ihn verliebten direktor missbraucht und hat dadurch privilegien. als ali ins waisenhaus eintritt, wird aus der anfänglichen freundschaft zu ramazan liebe und sie werden ein unzertrennliches paar; keiner kann mehr ohne den anderen sein. erwachsen geworden müssen sie das waisenhaus verlassen und sehen einer ungewissen zukunft entgegen. der schöne ramazan verdient das geld für beide als stricher. ali leidet darunter und beginnt lösungsmittel zu schnüffeln um seine eifersucht zu ertränken. keiner kann ohne den anderen leben. das auf und ab ihrer liebesbeziehung nimmt immer drastischere formen an und führt in ein katastrophales ende.
eine harte und schonungslose geschichte, umso mehr als dass sie auf einer wahren begebenheit beruht. armut, unterdrückung und gesellschaftliche vorurteile bringen zwei liebenswerte und liebende junge männer an den abgrund ihres seins. der autorin ist es gelungen nur zu beschreiben und nicht zu kommentieren, was das buch so direkt macht und einen der wirklichen geschichte nicht ausweichen lässt. der wechsel zwischen den schönen beschreibungen der liebe der zwei und des schrecklichen alltages in dem sie sich bewegen, lässt einen beim lesen ein wechselbad der gefühle erleben. letzlich bleibt aber kein raum für hoffnung.
ohne den türkischen originaltext lesen zu können, bleibt das gefühl einer unzulänglichen uebersetzung zurück. zu sehr fehlt das ambiente istanbuls, zu sehr ist die umgangssprache der beiden einem deutschen grossstadt-slang nachempfunden.

03.02.2012

per olov enquist: der besuch des leibarztes

der als geisteskrank geltende christian Vll, könig von dänemark, war eigentlich ein schüchterner sensibler und kind gebliebener junger mann. mit 17 jahren wurde er mit seiner fünfzehnjährigen cousine verheiratet. er war weder am regieren noch an seiner ehe wirklich interessiert. am dänischen hof versammelte sich in der zweiten hälfte des 18. jahrhunderts eine sittlich verfallene gesellschaft. unmengen von beamten verwalteten den staat, die hierarchie bestand aus titeln und orden. der leibarzt des königs beginnt – im wissen und einvernehmen mit christian, um nicht zu sagen auf dessen wunsch – ein liebesverhältnis mit der königin und übernimmt auch immer mehr die verantwortung für die regierungsgeschäfte. ausgestattet mit allen vollmachten erlässt er von den französischen aufklärern beeinflusste dekrete und schafft die leibeigenschaft ab. aber seinen gegnern aus dem umfeld der königinwitwe – der stiefmutter des königs – passt das nicht und sie bringen den leibarzt letztlich aufs schafott und die königin ins exil.
eine spannende geschichte, die sich vor mehr als 200 jahren zugetragen hat, als historischer roman genial erzählt. vom anfang bis zum schluss, trotz der vielen figuren, deren persönlichkeiten faszinierend exakt gezeichnet sind, immer übersichtlich und anschaulich. die sprache manchmal sehr direkt und etwas derb, aber klar und unmissverständlich. der roman hält sich stark an die wirklichen historischen ereignisse und wirkt trotzdem keineswegs verstaubt, weil er den heute genau so aktuellen fragen von macht und intrige, bestechung und scheinheiligkeit nachgeht. beim lesen steht man immer auf der seite des königs, den man einfach mögen und gleichzeitig bedauern muss.