06.04.2012

jessica durlacher: der sohn

eigentlich eine ganz normale vierköpfige familie: mutter, vater, sohn und tochter leben in guten und wohlhabenden verhältnissen. doch bald passieren dinge, die das bisher stabile und vermeintlich sichere leben zu beeinflussen beginnen. die mutter wird beim joggen von einem mann beinahe vergewaltigt. der sohn meldet sich freiwillig zu den marines der us-armee. später wird die familie eines nachts von bewaffneten einbrechern heimgesucht. diese und andere vorerst isoliert dastehenden ereignisse haben alle mit der geschichte der jüdischen familie der mutter, deren grosseltern im konzentrationslager umgebracht worden waren, zu tun. in den während des zweiten weltkrieges besetzten niederlanden gab es kollaborateure, die versteckte juden und deren helfer denunzierten. die begegnung der nachkommen der damaligen täter und opfer führt zu unerwarteter selbstjustiz.
eine zunächst intime und sehr persönliche familiengeschichte, die sich immer mehr zu einem fesselnden krimi entwickelt. zu beginn ist das zentrale thema die grosse liebe und fürsorglichkeit der mutter für ihre kinder, die durch den für sie unverständlichen entscheid des sohnes zur armee zu gehen auf eine grosse probe gestellt wird. mit starken und berührenden worten beschreibt die autorin das auf und ab der gefühlslage der mutter, deren aengste und beinahe hingebungsvolle sorge um ihre kinder. ebenso anschaulich und authentisch beschreibt sie die zerstörung der sicherheit durch die einbrecher. das unvermögen, sich selbst und die familie zu schützen, hilflos den tätern ausgeliefert zu sein, hinterlässt ein ungeahntes gefühl der machtlosigkeit und verbreitet unrast. aber auch die sprachlosigkeit, die eine vergewaltigung auslöst, das unvermögen des opfers sich darüber zu äussern, die gefühle der scham und der schande und das daraus resultierende verschweigen auch gegenüber der polizei finden hier eine unvergleichlich genaue beschreibung.
selten habe ich einen roman gelesen, der diese schwierigen themen auf eine so eindringliche und phänomenale weise aufnimmt. eines der wenigen bücher, die ich nicht vor dem einschlafen lesen konnte, sondern nur in der sicherheit des tageslichtes.

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