26.06.2012

olga grjasnowa: der russe ist einer, der birken liebt


als mädchen kommt masha mit ihren eltern als jüdische aussiedlerdeutsche aus aserbeidschan nach deutschland. hier schliesst sie schulen und studium erfolgreich ab und arbeitet auf ihr berufsziel hin. in elias hat sie schon früh ihre grosse liebe gefunden. elias aber stirbt an den folgen einer verletzung.
masha kehrt deutschland den rücken und geht nach israel zu einer tante aus ihrer weitläufigen verwandtschaft. eine komplizierte beziehung zu einer frau bestimmt weite teile ihres dortigen lebens und handelns, bis auch dies ein ende findet und masha im westjordanland auf ismael trifft, in dem sie elias wieder erkennt. immer in der fremde, immer unterwegs ist masha. in deutschland fremd als jüdisch-aserbeidschanische immigrantin, in israel fremd als deutsche, in palästina fremd als jüdin.
mit viel witz, genauer beobachtung und exakter beschreibung, mit ironie und tiefgründigkeit gelingt es der autorin nicht nur, uns dieses unruhige und rastlose leben näher zu bringen, sondern auch das umfeld, in dem es spielt. treffend wird ein milieu eingewanderter menschen in deutschland wiedergegeben. der alltag in israel und in palästina mit all den unlösbaren problemen – der hintergrund des zweiten teils des buches – ist eben so trefflich dargestellt. nicht immer ist die handlung kongruent, beim lesen bleiben etliche fragen offen. aber man schliesst masha ins herz, obwohl sie einem immer zu entgleiten droht.

10.06.2012

per petterson: ist schon in ordnung


als andur mit seiner mutter vom land in die stadt ziehen muss, wo sie sich in einem arbeiter-vorstadtquartier niederlassen, beginnt für ihn ein schwieriges leben. die neue schule bringt für ihn einige herausforderungen. nicht einfach ist es, freunde zu finden und sich in die klasse zu integrieren. um etwas geld zu verdienen, trägt er daneben morgens und abends zeitungen aus. als er im letzten schuljahr beschliesst, die schule zu verlassen, weil es mit dem nebenerwerb zu viel wird, erfährt er von seiner mutter, dass sie eine monatliche staatliche unterstützung erhält, damit er, als kind aus ärmeren verhältnissen das gymnasium besuchen kann. trotzdem entscheidet er sich, eine arbeit in der zeitungsdruckerei anzunehmen. auch dort muss er sich zwischen den raubeinigen arbeitern und druckern erst seinen platz verschaffen.
ein bemerkenswerter, schöner jugend- und sozialroman, der uns teilnehmen lässt am leben eines vorstadtjugendlichen, der in bescheidenen verhältnissen aufwächst. er weiss sich jedoch immer irgendwie zu helfen, findet immer wieder eine perspektive und gibt nicht auf. „ist schon in ordnung“, was immer auch auf ihn zukommt. die stimmungsvolle beschreibung des eher tristen umfeldes und der schwierigen beziehungen der jungen leute untereinander zeigt eine welt auf, die wir als erwachsene schon weitgehend vergessen haben. hier kommt sie uns wieder so nahe, als wäre es gestern gewesen.

07.06.2012

gerbrand bakker: der umweg


sie verschwindet aus amsterdam ohne vorankündigung und lässt ihren mann und ihre eltern im ungewissen zurück. in einem alten haus auf dem land in wales sucht sie zu vergessen was war und ein neues leben anzufangen. eines tages kommt ein junger mann daher, den sie zunächst für eine nacht in ihrem haus beherbergt. aber er bleibt. die beiden beginnen miteinander oder nebeneinander zu leben. die frau verfolgt ihren weg unbeirrbar bis zum ziel.
in einer knappen sprache mit vielen kurzen sätzen kommt diese geschiche daher. lediglich die beschreibung von landschaft und licht ist wirklich konkret. sonst wird kaum etwas in diesem buch wirklich genau vermittelt. vielmehr bleiben die menschen und deren beziehungen fast nur im bereich von andeutungen, die mögliche interpretationen beim lesen direkt herausfordern. ein stilles und – trotz des unschönen endes – schönes buch, das viele ganz unterschiedliche bilder entstehen lässt.