24.11.2013

arno geiger: es geht uns gut

das ist die geschichte von grosseltern, eltern und kindern, also dreier generationen einer recht gut situierten familie mit nicht ganz einfachen verhältnissen untereinander. richard, der grossvater, geht auf distanz zu den nazis, was 1938 nicht einfach ist, als oesterrreich an das deutsche reich angeschlossen wird. später, in der nachkriegsrepublik wird er minister. alma, die grossmutter, bewohnt am schluss, als richard alt und dement ins pflegeheim kommt, allein die grosse villa in wien. ihr sohn otto stirbt früh, die tochter ingrid heiratet gegen den willen der eltern peter, der aus einer mit den nationalsozialisten kollaborierenden familie stammt und mit seinem studium nicht vorwärts macht. deren tochter wiederum zieht früh nach new york, nur philipp, der sohn bleibt in wien und erbt die villa der grosseltern. aus seiner perspektive wird die familiengeschichte erzählt, die sich fast über das ganze 20. jahrhundert hinzieht.
in diesem sehr schönen buch erzählt der autor treffend, manchmal ernst und traurig, manchmal lustig und witzig, oft aber auch einfach neutral beschreibend, diese komplexe geschichte vor dem hintergrund oesterreichs im 20. jahrhundert. der zusammenbruch des kaiserreiches und die reduktion auf das kleine neue land haben ebenso einfluss, wie die unterschiedlichen politischen ausrichtungen, das soziale gefälle und der katholizismus.

13.11.2013

otto zumoberhaus: am schattenberg

eine familiengeschichte über etliche generationen in der zeit zwischen dem frühen 19. und dem späten 20. jahrhundert, also einer zeitspanne von fast 200 jahren. in einem walliser bergdorf schliesst der junge christian die ehe mit luwisa. als er in der hochzeitsnacht merkt, dass er nicht der erste mann ist, stellt ihn dies auf eine harte probe. aber man spricht ja nicht über solche dinge. das erste kind kommt keine neun monate nach der hochzeit zur welt, da machen gerüchte und vermutungen schnell die runde. als später die drei kinder und luwisa kurz hintereinander sterben, steht für die dorfbevölkerung fest, dass dies gottes gerechte strafe ist. christian heiratet ein zweites mal und hat weitere zehn kinder. die zeit bringt neues: industrialisierung, eisenbahnbau und elektrizität verändern das leben auch im abgeschiedenen dorf. die armut wird weniger, die abhängigkeiten anders, die jungen gehen auswärts arbeiten, bringen aber nicht nur geld, sondern auch neues gedankengut nach hause. uneheliche kinder, trennungen und homosexualität, alles muss christian in seiner familie erleben. und vor dem hintergrund der strengen katholischen religiosität verstehen die menschen frühen tod und unglücksfälle als strafe gottes. letztlich wird nur der uneheliche sohn einer seiner töchter den namen der familie weitertragen.
ein spannendes familienepos, das leicht zu lesen ist und bis zum schluss dank dem beigefügten genealogischen plan übersichtlich bleibt. aber auch ein stück geschichte eines gebirgstales, das aus seiner abgeschiedenheit herauskommt und dessen bevölkerung sich mit der neuen zeit, mit den veränderten werten und den zuziehenden fremden auseinandersetzen muss. eine geschichte, die diese ganze palette von problemen aufnimmt und verarbeitet. ein echter lesegenuss.

08.11.2013

lily brett: chuzpe

als der 87-jährige vater von ruth von australien nach new york zieht um nahe bei seiner tochter zu sein, ändert einiges. bei ruth, die erfolgreich eine kleine eigene firma führt, beginnt er sich in ihrem büro nützlich zu machen, was immer wieder zu belastenden situationen zwischen den beiden führt. doch plötzlich werden seine besuche weniger, er hat anderes zu tun. auf einer früheren reise hat er zwei polnische frauen kennengelernt, die nun nach new york kommen. mit der einen beginnt er eine liebesbeziehung. die beiden frauen und er beschliessen gemeinsam ein restaurant zu eröffnen. unvorstellbar für ruth, ihren vater an der seite einer jüngeren frau zu wissen und restaurants gibt es unendlich viele in new york. ruth ist überzeugt, dass das unternehmen ein fiasko wird. aber es kommt anders.
die lebensfreude und tatkraft des vaters stehen den zweifeln und dem hadern der tochter gegenüber.
während man beim lesen den vater und seine freundinnen gleich ins herz schliesst und ganz auf ihrer seite steht, kommt für die zweifelnde und nörgelnde ruth keine sympathie auf. das eigentlich ernsthafte thema der tochter-vater-beziehung ist eher unglücklich in eine komödienhafte handlung eingebettet und gelingt nicht überzeugend. zu viele nebenhandlungen ziehen die geschichte in die länge ohne eine wirkliche spannung aufrecht zu erhalten. zu viel oberflächlichkeit steht der ernsthaftigkeit gegenüber. der roman kommt unterhaltsam daher, ist aber trotzdem irgendwie langweilig.