30.12.2015

imre kertész: roman eines schicksallosen

ein 14-jähriger jüdischer junge gerät 1944 auf seinem weg zum arbeitsdienst in eine kontrolle und wird mit einem transport nach auschwitz geschickt und ein paar tage später nach buchenwald verlegt. mit einer immer wieder neuen kindlichen verwunderung begegnet er all den schrecklichen ereignissen und schicksalen, zieht seine eigenen schlüsse und ist immer bestrebt, trotz existentiellem ueberlebenskampf, ein guter häftling zu sein. er überlebt die konzentrationslager und wird im frühling 1945 befreit.
aber erst nach seiner rückkehr zeigt sich das wahre drama. bei begegnungen mit daheimgebliebenen treffen zwei welten  aufeinander, die sich kaum noch verstehen können.
die kindliche perspektive und die komplexe literarische sprache sind ein starker, lebendiger gegensatz, der beim lesen eine tiefe auseinandersetzung mit dem thema provoziert.

25.12.2015

chinua achebe: alles zerfällt

dieser roman beschreibt eindrücklich, wie die alte kultur eines afrikanischen volkes bedroht wird. missionierung und kolonialisierung lassen letztlich die von alters her überbrachten werte untergehen.
okonkwo, dessen lebensgeschichte im zentrum der handlung steht, gilt in seinem dorf als starker krieger und wichtiger mann. er selbst zweifelt aber immer wieder an seiner stärke, lässt emotionen kaum zu und muss sich auch immer wieder selbst beweisen. die gemeinschaft seines volkes hat feste regeln: geister, götter und ahnen bestimmen ihr leben und ihre traditionen. als ein erster weisser christlicher missionar ankommt, in dessen menschenbild viel des archaischen brauchtums nicht passt, beginnt eine neue zeit. immer mehr leute des stammes wenden sich dem neuen glauben zu, auch okonkwos ältester sohn, der an dem hergebrachten wertesystem zweifelt und die möglichkeit erhält eine schule zu besuchen. nicht nur die mission, auch die kolonialisierung trägt zum wertewandel bei. die stammesgerichte werden ersetzt durch fremde richter, deren rechtsprechung von europäischen massstäben geprägt ist. okonkwo weiss aber, er will seinen ahnen treu bleiben und geht diesen weg bis zum bitteren ende.
treffender könnte der titel des buches nicht sein. in grosser farbigkeit und eindringlichkeit beschreibt der autor das leben seines volkes. er bringt uns dessen wertehaltung und das leben im einklang mit der natur sehr nahe. alle diese über jahrhunderte gewachsenen traditionen und lebensformen machen den reichtum und das zusammenleben in afrika aus. selten erfährt man so direkt aus erster hand über die zerstörung der lebensgrundlagen eines volkes durch missionierung und kolonialisierung. einzigartig, nur beschreibend, nie anklagend wird diese geschichte erzählt.

16.12.2015

walter vogt: der wiesbadener kongress

der chefarzt der psychiatrischen klinik wird zum wiesbadener kongress eingeladen, einem bedeutenden anlass, an dem resultate aus forschungsstudien vorgestellt werden. dies und das vorhandene geld aus dem nationalfonds sind die zwei hauptanlässe, um ein forschungsprojekt zu starten. worum es dabei wirklich geht wird bis zuletzt nicht ganz klar und man fragt sich, ob nun die geisteskranken oder das personal die wirklich kranken sind.
ein treffender roman über den wahnsinn der wissenschaftlichen forschung, der mit viel humor und satire die akteure entblösst und den lesenden einen faszinierenden einblick in das machtgefüge der aerzte und die funktion einer psychiatrischen klinik gibt. keine menschliche regung, keine falsche absicht, keine noch so kleine intrige fehlt in dieser geschichte. der roman ist heute noch so aktuell wie zu seiner entstehungszeit.

13.12.2015

andrej kurkow: ein freund des verblichenen

seine frau betrügt ihn und auch sonst scheint tolja das leben nicht mehr lebenswert. sich selbst umzubringen ist nicht seine sache, aber einer seiner schulfreunde kann ihm einen auftragskiller organisieren. der geht natürlich davon aus, dass der liebhaber der frau umgebracht werden soll. während des wartens auf seinen eigenen mörder lernt tolja aber lena kennen und sein leben nimmt eine positive wende. der killer aber ist schon beauftragt und unterwegs.
trotz viel aktion in der geschichte, bleibt raum über die fragen nach dem sinn des lebens nachzudenken. unterhaltsam und tiefgründig entwickelt der autor eine satire voll von komik und witz und bleibt dabei aber ganz realistisch.

11.12.2015

arno camenisch: die kur

ein tombolagewinn – ein aufenthalt im luxushotel – löst bei einem ehepaar sehr unterschiedliche reaktionen aus. während die frau sich auf die tage freut, ist es ihrem mann eher eine unangenehme vorstellung, sich in dieser welt zu bewegen. das wird schon bei der anreise klar. und so unterschiedlich erleben sie diese tage. sie blüht auf, sieht träume verwirklicht und geniesst ganz offensichtlich das ungewohnt elegante leben. er fühlt sich unwohl, denkt dauernd an abreise und ist immer am nörgeln. die zwei haben sich eigentlich schon lange auseinandergelebt, so finden wir die beiden in einem skurrilen dialog, bei dem nie ganz klar ist, ob sie sich gegenseitig zuhören. sprache und text sind ganz unverkennbar arno camenisch, nicht ganz so dicht, wie in seinen vorherigen büchern.