23.03.2016

thomas meyer: rechnung über meine dukaten

im zentrum der geschichte steht der preussenkönig friedrich wilhelm I, der nur eine grosse leidenschaft kannte: die «langen kerle» seiner leibgarde. im ganzen land und auch ausserhalb lässt er über­durchschnittlich grosse männer, oft nicht freiwillig, rekrutieren. auch der junge gerlach wird gegen seinen willen einberufen. bald trifft er auf die übergrosse bäckerstochter betje, aber ihr gegenseitiges interesse aneinander passt weder zu den militärischen verpflichtungen noch zu den religiösen vorstellungen des vaters von betje. ein ganz anderer grund führt die beiden letztlich zusammen.
historisch belegte ereignisse und fiktion vermischen sich in diesem roman zu einer köstlichen, witzigen, aber auch tragischen geschichte. wie absolute macht zu unglaublichen handlungen und zuständen führen kann, wird uns hier auf eindrückliche weise vor augen geführt.

21.03.2016

catalin dorian florescu: der kurze weg nach hause

in zürich sind toma, luca und ovidiu gross geworden. toma ist heroinabhängig. die andern zwei reisen ostwärts über wien, budapest bis nach rumänien, wo ovidiu die ersten jahre seiner kindheit verbracht hat. während es für luca abenteuer und suche nach einem anderen leben ist, wird es für ovidiu eine reise in die vergangenheit. dieser unterschied macht es für die beiden nicht immer ganz einfach und stellt ihre freundschaft immer wieder auf die probe. in gedanken der beiden ist auch toma immer wieder dabei.
viele emotionen, abenteuerliche geschichten, rührende begegnungen, aber auch kritische blicke auf die realität des heutigen ungarn und rumänien geben diesem buch eine kraft und eine ausstrahlung von ganz besonderer art. verletzlich und manchmal auch etwas kindlich sind die jungen männer, was sie so authentisch und sympathisch macht. eine schöne erzählung an vielen schauplätzen, voll von vertrauen, freundschaft, aber auch von tragischen ereignissen und einem offenen ende.

13.03.2016

haruki murakami: die pilgerjahre des farblosen herrn tazaki

fünf junge leute waren während der schulzeit unzertrennliche freunde. tsukuru verlässt nach dem schulabschluss als einziger seine heimatstadt um in tokio zu studieren, in den ferien kehrt er aber immer zurück. plötzlich brechen seine freunde den kontakt ohne erklärung zu ihm ab. sein leben geht weiter, er spricht nie über diesen verlust, bis er jahre später seine freundin sara kennenlernt. ihr schildert er die ereignisse damals und sie bringt ihn dazu, sich der vergangenheit zu stellen.
dies ist ein wunderbarer roman über missverständnisse und falsche rücksichtnahmen, aber auch über liebe und versöhnung. schön und spannend zu lesen, einmal begonnen, kann man beinahe nicht mehr aufhören. ein buch, an dessen ende es schade ist, dass es nicht weitergeht.

11.03.2016

varujan vosganian: buch des flüsterns

als kind in der armenischen diaspora rumäniens hat der autor den geschichten seines grossvaters und seiner zeitgenossen gelauscht und diese schicksale aufgeschrieben. daraus ist dieses vielschichtige und komplexe werk entstanden. die geschichten einzelner menschen fügen sich zu einem bericht über die verfolgung und die emigration des armenischen volkes zu beginn des zwanzigsten jahrhunderts zusammen. die folgenden jahrzehnte sind geprägt vom entstehen eines sozialistischen armeniens als sowjetrepublik, das den zurückkehrenden viele enttäuschungen bringt. die hoffnung auf ein freies vaterland durch die ereignisse des zweiten weltkrieges lässt die armenier erneut zwischen die fronten geraten. die eigene religion, die traditionen und symbolik werden gepflegt und erhalten. sie verbinden dieses auf der ganzen welt verstreute volk.
mit einer spannenden und gleichzeitig subtilen sprache vermag das buch die schreckliche geschichte auf eine eindrückliche art zu vermitteln, ohne reisserische beschreibungen zu hilfe zu nehmen. so entsteht beim lesen ein dichtes und aussagekräftiges bild, dem man nicht entkommt.

02.03.2016

albert camus: der fremde

das scheinbar sorglose und wohlgeordnete leben eines einfachen büroangestellten nimmt zwei wendungen. zuerst erfährt er vom tod seiner mutter, später bringt er mehr zufällig als beabsichtigt einen mann um. im anschliessenden gerichtsverfahren wird ihm die mangelnde sichtbarkeit der trauer als emotionslosigkeit oder gar kaltblütigkeit ausgelegt, mildernde umstände gibt es keine und er wird zum tod verurteilt. auch beim warten auf die urteilsvollstreckung entspricht er nicht den erwartungen seines umfeldes.
dieses erneute lesen der damaligen pflichtlektüre im französischunterricht hat mir eine radikal klare gedankenwelt näher gebracht, deren faszination ich mich nicht entziehen konnte.