27.05.2017

pascal mercier: perlmanns schweigen

bei der leitung einer forschungsgruppe in einem hotel an der ligurischen küste ist philipp perlmann – als sprachwissenschaftler selbst in einer schaffenskrise – mit hohen erwartungen konfrontiert. er hat den eindruck, diese nicht erfüllen zu können, ist schlecht vorbereitet und versucht dies zu verstecken. dabei kommt er auf eine abenteuerliche idee, die ihn beinahe einen seiner kollegen ermorden lässt.
die bildhafte und treffende beschreibung der verzweiflung eines menschen, der bisher erfolgreich war, dominiert den roman, der trotz seines vielschichtigen aufbaus und der komplizierten lügengebilde leicht zu lesen ist. das psychologische bildnis eines einsamen menschen entwickelt sich zu einem spannenden und raffinierten krimi. gegen ende verliert er etwas von seiner spannung, findet aber ein unerwartet schönes ende.

07.05.2017

steven uhly: glückskind

als hans – ein sozialhilfeempfänger – seinen kehrichtsack entsorgen will, findet er einen säugling im abfallcontainer. er nimmt das mädchen zu sich und will fortan für sein wohlbefinden besorgt sein. das leben, dass ihm in den letzten jahren so sinnlos vorkam, bekommt wieder einen inhalt, es lohnt sich wieder zu leben. aber wer hat das kind ausgesetzt? er verbirgt ein kind, darf er das? rasch kommt er an seine grenzen, er hat aber nachbarn, die ihn unterstützen und letztlich findet diese schöne geschichte mit dem sozialkritischen ansatz ein schwieriges aber gutes ende.
die manchmal etwas utopische handlung hat spannung und emotion. sprachlich speziell sind die vielen kurzen sätze, die einen beinahe zu einem rhythmischen lesen führen.

01.05.2017

jonathan littell: die wohlgesinnten

maximillian aue, sohn einer französin und eines deutschen, der sich früh aus ueberzeugung den nationalsozialisten anschliesst, ist die zentrale figur, mit dessen fiktiver lebensgeschichte wir durch den ganzen roman und damit auch durch den ganzen zweiten weltkrieg geführt werden. als ss-offizier ist er unterwegs im kaukasus und in stalingrad im einsatz, später in berlin. aus dem überzeugten nationalsozialisten wird zunehmend ein kritischer, aber im system gefangener beobachter dieses unfassbaren geschehens. immer wieder muss er sich mit gegebenheiten arrangieren um selbst zu überleben. das alles verändert nicht nur seine wahrnehmung und haltung, sondern bringt ihn zu handlungen, zu denen er zuvor niemals fähig gewesen wäre.
ein buch über die dunkle zeit des dritten reiches, einmal – und das macht es ganz besonders spannend – nicht aus der perspektive eines opfers sondern aus der eines täters, eines vertreters des systems. langsam entwickelt er aber eine kritische haltung, weil er zusehen muss, wie persönliche interessen und karrieresucht viele seiner genossen leitet. deutlich wird aber auch, wie die konfrontation mit der unmenschlichkeit und dem grauen ihn selbst als mensch verändert, wie er seine ethischen und moralischen grundsätze anpasst um zu überleben. als die niederlage bereits greifbar ist und die rote armee berlin erreicht hat, lässt er sich zu unfassbaren handlungen verleiten, um zu entkommen.
ein spannender und grossartiger roman, den zu lesen nicht immer vergnügen bereitet und dessen grauen manchmal kaum auszuhalten ist.