28.09.2017

saleem haddad: guapa

der frühe ruf des muezzins bedeutet jeweils das ende der gemeinsamen liebesnacht, taymour verlässt rasa bevor er gesehen wird. doch als die beiden jungen männer eines nachts entdeckt werden, ist nichts mehr wie vorher. rasa hat eine unaussprechliche schande über die familie gebracht. während der nächsten vierundzwanzig stunden begleiten wir rasa, dessen leben eine radikale wendung nimmt. vor dem hintergrund des arabischen frühlings mit demonstrationen und gewalt, blickt rasa zurück auf sein bisheriges leben und muss sich einer ungewissen zukunft stellen.
die präzisen bilder und bestechend akkuraten, teilweise karikierenden beschreibungen des lebens in dieser nahost-grossstadt lassen einen schnell in diese welt eintauchen. in diesem roman nur eine liebesgeschichte zu sehen, greift zu kurz, zu gross ist die politische aussage.
schon in der mitte fürchtet man, diese ergreifende und intensive geschichte zu schnell zu ende gelesen zu haben. und wenn auf seiner rückseite steht, dass dieses buch «einem die letzte träne entreisst» könnte es nicht zutreffender auf den punkt gebracht werden.

21.09.2017

christoph hein: landnahme

als heimatvertriebene aus schlesien haben sich die eltern von bernhard haber in einer kleinstadt im osten deutschlands niedergelassen. sie sind unwillkommene gäste und der verschlossene und wortkarge bernhard muss bereits in der schule die ausgrenzung spüren. er weiss sich jedoch zu behaupten, bringt es später – nicht immer auf ganz legalen wegen – zu einem beachtlichen wohlstand. doch er bleibt in den augen vieler immer ein fremder und gehört nicht hierher. immer wieder hat er aber auch glück, menschen kennenzulernen, die zu ihm stehen. das ende der ddr ändert vieles und er muss sich erneut zurechtfinden.
seine lebensgeschichte erfahren wir aus fünf berichten von menschen, die auf irgend eine weise seine weggefährten gewesen sind. ein schönes, spannendes und leicht zu lesendes buch, das sich mit dem phänomen der fremdenfeindlichkeit auf eine ganz besondere art auseinandersetzt.

12.09.2017

tim krohn: nachts in vals

eine sammlung kurzer erzählungen, die eines gemeinsam haben: alle handeln von menschen, die nach vals in die therme fahren. unterschiedliche erwartungen und realitäten, die sich nicht immer decken, treffen aufeinander. für alle gilt das gleiche, in ihrem leben verändert sich nach diesem aufenthalt etwas.
nicht nur, dass diese geschichten auch die sehnsucht nach diesem ort wieder wecken, sie sind schön zu lesen und einfach einzigartig. und wer schon einmal in vals war, erkennt die stimmung gleich wieder.

10.09.2017

imbolo mbue: das geträumte land

eingewandert aus kamerun fährt jende jonga taxi in new york, bis er nicht ganz ohne hilfe eines cousins der persönliche chauffeur von mr. edwards, einem banker bei lehman brothers, wird. für ihn und seine familie bedeutet das sicherheit und einen gewissen wohlstand. doch mit der finanzkrise und dem untergang der firma seines chefs ändert sich alles. beide familien, so unterschiedlich ihre leben sind, müssen entscheide für die weitere zukunft fällen.
dieser erste roman der autorin öffnet den blick auf das leben in new york, jenseits jeglicher touristischer optik und berichtet von den schwierigkeiten, als einwanderer nicht nur fuss zu fassen, sondern auch seinen aufenthalt zu legalisieren. ihre art zu erzählen vermittelt nicht nur gute unterhaltung, sondern auch erheblichen tiefgang.

07.09.2017

pierre lemaitre: wir sehen uns dort oben

am ende des ersten weltkriegs werden die soldaten der französischen armee demobilisiert. der körperlich durch eine gesichtsverletzung stark entstellte édouard und der psychisch schwer traumatisierte albert sind untrennbar miteinander verbunden; édouard hat albert im letzten moment das leben gerettet. sie müssen erleben, wie der einzelne soldat, der für das vaterland gekämpft hat, wenig gilt und die alten eliten unehrlich versuchen, den ruhm für sich zu beanspruchen. mit einer grossangelegten betrugsaffäre bringen sie nicht nur ihren ehemaligen offizier – der sie in den letzten kriegswochen unnötigen gefahren ausgesetzt hatte – zu fall.
diese im wahrsten sinne des wortes phantastische geschichte liest sich wie ein krimi. tief können wir eintauchen in das abenteuerliche leben dieser zwei jungen männer, erfahren aber auch von der not des einen vaters, der seinen sohn nie verstehen wollte. gerne hätte ich noch weitergelesen. so bin ich gerade etwas enttäuscht vom unerwarteten und schnellen ende.