26.12.2018

paolo cognetti: acht berge

pietro kommt mit seinen eltern während des sommers aus mailand in ein dorf in den alpen und freundet sich dort mit bruno an. jeden sommer erkunden sie gemeinsam das tal, die landschaft und die berge. als sie älter werden, trennen sich ihre wege: während bruno eine alp bewirtschaftet und kaum aus seiner heimat weggeht, zieht es pietro in die ferne. nach seiner rückkehr nach jahren, müssen sich die beiden erst wieder finden und prüfen, ob ihre freundschaft trotz ihrer verschiedenen lebensentwürfe dieser langen trennung standgehalten hat.
die geschichte der jugendfreundschaft der beiden, die sich mit wenigen worten verstehen und einander als erwachsene trotz aller verschiedenheit immer verbunden bleiben, lässt einen beim lesen erinnerungen an langjährige eigene freundschaften aufkommen. aber nicht nur davon lebt dieser roman. die präzise und vielfältige beschreibung von landschaft und natur sind einzigartig und zeugen von der liebe zu den bergen und der natur. und der realistische ansatz der romans tut ein übriges, um verklärte vorstellungen und träume vom sogenannt einfachen leben zu korrigieren. was für ein schönes und weises buch voller gefühle!!

23.12.2018

usama al shahmani:
in der fremde sprechen die bäume arabisch


usama steckt selbst mitten im asylverfahren in der schweiz und versucht sich gerade in der fremde etwas zurechtzufinden. da erreicht ihn die botschaft, sein bruder ali sei in bagdad spurlos verschwunden. und während usama schwer damit beschäftigt ist, in der schweiz wirklich anzukommen, erreichen ihn immer neue schreckliche nachrichten aus seiner heimat. er entdeckt das wandern im wald, das ihm eine gewisse ruhe verschafft. so gelingt es ihm leichter sich hier einzuleben und die botschaften aus seiner alten heimat auszuhalten.
aus einer sehr persönlichen sicht erfahren wir von trauer und heimatlosigkeit. mit einer reichen sprache wird uns enorm unmittelbar eine sicht aus der warte eines menschen vermittelt, der alles zurücklassen musste. nicht nur verlust und verlassenheit, sondern auch zuversicht und humor prägen die geschichte. dieser autobiografische roman geht wie selten ein anderer zu herzen.

19.12.2018

gerhard jäger: der schnee, das feuer, die schuld und der tod

der junge historiker max schreiber reist in ein abgelegenes bergdorf um einer alten geschichte nachzuforschen. er trifft auf eine misstrauische und verschlossene dorfgemeinschaft. das nach längerer zeit mühsam gewonnene vertrauen der zurückhaltenden einheimischen bleibt brüchig. zudem verliebt er sich in eine frau im dorf, die aber auch von einem jungen dörfler begehrt wird. als ein bauer zu tode kommt, eine scheune abbrennt und todbringende lawinen das dorf von der umwelt abschneiden, schlägt die stimmung um und max, der eines mordes verdächtigt wird, verschwindet unauffindbar. nur seine aufzeichnungen bleiben zurück.
fünfzig jahre später geht ein alter mann, dieses manuskript lesend, jenen ereignissen nach, um mit seiner eigenen geschichte ins reine zu kommen.
der roman ist ein einzigartiges gemälde einer dörflichen gemeinschaft in den 1950er jahren. mit einer enormen kraft beschreibt der autor diese welt voll von arbeit, gegenseitiger abhängigkeit, von katholizismus und aberglaube, die der erbarmungslosen gewalt der natur immer wieder ausgesetzt ist. meisterhaft ist diese fesselnde geschichte in die zweite handlungsebene des alten mannes eingebettet. beim lesen lässt sich das buch kaum aus der hand legen.

14.12.2018

lojze kovačič: die zugereisten

band I 1938 - 1941
kaum zehn jahre alt muss der erzähler abschied von seiner geburtsstadt basel nehmen. seine familie wird nach slowenien, der heimat des vaters, ausgewiesen. das bisherige wohlbehütete leben des jungen ist zu ende. armut, heimatlosigkeit, fremde sprache und pubertät bringen jeden tag neue herausforderungen. zunächst schlecht gelitten bei einem onkel untergekommen, zieht die familie danach mehrmals um und wohnt schliesslich – als deutsche und italienische truppen in slowenien einmarschieren – in ljubljana.
band II 1941 – 1945
die kriegsjahre sind geprägt von hunger und armut. die familie hält zusammen, aber der vater leidet immer mehr unter seiner krankheit. neben der schule wird es immer mehr lojzes aufgabe, irgendwie geld oder essen für die familie zu beschaffen. er nimmt jede erdenkliche arbeit an und von einer gütigen nonne erhält er regelmässig übriggebliebenes essen aus einem kloster. vergeblich bleibt der versuch der familie nach deutschland, der heimat der mutter, auszuwandern. als der vater stirbt, beginnt auch die mutter immer schwächer zu werden. die hoffnung auf das ende des krieges wird genährt vom abzug der italienischen truppen und dem vorrücken der russen und der alliierten nach europa.
band III 1945 – 1948
bald nach ende des krieges übernehmen die kommunisten die macht. deren brigaden, milizen, komitees beginnen das tägliche leben zu bestimmen. eines nachts werden lojzes familienangehörige als deutsche nach oesterreich deportiert, er selbst bleibt zurück, kämpft und hungert sich durch die ersten nachkriegsjahre. kritisch der politischen entwicklung gegenüber und mit seiner persönlichen vergangenheit wird er gesellschaftlich immer wieder ausgegrenzt und verliert seinen platz am gymnasium kurz vor seinem abschluss. sein talent texte zu schreiben, liesse ihn als junger mann durchaus ein regelmässiges einkommen erzielen, aber er bleibt seiner unabhängigen und kritischen betrachtung der politischen entwicklungen treu, was ihm immer wieder zum nachteil gereicht. arbeits- und obdachlos ist er auf die hilfe einiger freunde angewiesen, bis er in die armee eingezogen wird.

wortgewaltig und detailgenau beschreibt der autor in seinen autobiografischen aufzeichnungen das plötzliche ende einer einfachen und unbeschwerten kindheit. die situation, in der das ueberleben während jahren alles andere in den hintergrund drängt, in der hunger zum stehlen zwingt und ausserordentlich prekäre wohn- und gesundheitssituationen die norm sind, schildert er ohne scheu und zurückhaltung und schafft ein eindrückliches zeitdokument. differenziert, sachlich – ja beinahe emotionsfrei – aufgezeichnet, lässt sich der text nicht immer ganz leicht lesen. auch beginnt man zu ahnen, wie schon damals die grundlage zum späteren krieg beim auseinanderbrechen jugoslawiens gelegt worden ist. diese autobiografie ist ein ganz besonderes geschichtsbuch.