30.01.2020

christian berkel: der apfelbaum

sala ist 13, otto 17 jahre alt, als sie sich kennenlernen und verlieben. zwei menschen, deren herkunft anfangs der 1930er jahre in berlin nicht unterschiedlicher sein könnte: otto, ein arbeitersohn aus kreuzberg und sala, tochter reicher, jüdischer intellektueller. die zeiten werden immer schwieriger, sala muss berlin verlassen, otto wird eingezogen und kommt tief nach russland an die ostfront, von wo er erst fünf jahre nach kriegsende aus der gefangenschaft heimkehrt. salas odyssee endet letztlich in argentinien, wo sie aber kein glück findet. auch sie kehrt wieder zurück nach deutschland. sie hat otto nie vergessen und als sie seinen namen im telefonbuch findet, treffen sie sich nach mehr als zehnjähriger trennung wieder.
der besuch des autors bei sala, seiner mutter, die mittlerweile über 90 jahre alt ist, macht den anfang. er lässt sie ihre geschichte erzählen, die geschichte einer ganz besonderen liebe. daraus entsteht immer mehr eine erzählung über eine sehr spezielle familie, die zurückreicht bis ins ausgehende 19. jahrhundert. exemplarisch berichtet er über menschen und deren leben in der wechselvollen geschichte deutschlands. spannend und liebevoll schreibt der autor über seine familie und zeichnet die einzelnen figuren und schauplätze genau und lebendig nach. trotz aller ernsthaftigkeit und schwere lässt dieses buch immer wieder platz für hoffnung.

26.01.2020

jonas lüscher: kraft

der rhetorikprofessor kraft steht vor dem ende seiner unglücklichen ehe. weder in seinem sonstigen leben noch finanziell sieht es gut aus. da kommt die einladung seines jugendfreundes istván zu einem vortragswettbewerb wie gerufen. das preisgeld von einer million dollar würde ihm endlich die scheidung von seiner frau heike ermöglichen. er macht sich auf nach kalifornien, noch ohne genaue vorstellung, wie er den vortrag inhaltlich gestalten will. das treffen mit istván lässt sich nicht einfach an, weckt viele erinnerungen an früher, aber die alte vertrautheit stellt sich nicht mehr ein. die tage bis zum wettbewerb ziehen sich hin, kraft schaut zurück auf sein leben in dem vieles nicht so gelaufen ist, wie er es sich vorgestellt hatte. humorvoll, witzig und etwas bösartig wird krafts leben in aktuellen sequenzen und rückblenden beschrieben. es entsteht ein exemplarisches bild eines missglückten lebensentwurfs eines mannes, von denen es in unserer gesellschaft viele gibt. sprachlich komplexe satzkonstruktionen, die sich teilweise über halbe buchseiten hinziehen, sind eine herausforderung, aber machen dank ihrer virtuosität richtig freude zum lesen.

14.01.2020

lars mytting: die birken wissen's noch

edvard lebt mit seinem grossvater sverre allein auf einem weit entlegenen bauernhof in norwegen. er kennt seine eltern nicht, weiss nur, dass sie auf mysteriöse weise ums leben gekommen sind, als er drei jahre alt war. auch einar, der bruder des grossvaters ist verschwunden und es ist unklar, ob er noch lebt. ueber all dem liegt eine hülle des schweigens. nach dem tod des grossvaters macht sich edvard auf, diese familiengeheimnisse zu ergründen. das führt ihn auf eine weite reise und er erfährt viel mehr, als er sucht. doch wäre dies alles nicht schon schwierig genug, steht edvard auch zwischen zwei frauen.
diese vielschichtige und komplizierte geschichte führt uns zurück bis in den ersten weltkrieg auf die schlachtfelder frankreichs. trotz ihrer komplexität bleibt die handlung weitgehend übersichtlich. spannend, fast wie ein krimi und voll von unterschiedlichen emotionen, denen dieser junge mann ausgesetzt ist, findet dieser unterhaltsame, zuweilen aber auch fast etwas unwirkliche roman ein beinahe dramatisches ende.

05.01.2020

carlos ruiz zafón: das spiel des engels

der junge david martín darf zu beginn seiner anstellung bei einem zeitungsverlag lediglich kleine meldungen über unfälle und verbrechen beitragen. seine fähigkeiten werden aber vom mürrischen chef entdeckt und er beginnt unter falschem namen fiktive schauerromane zu schreiben, die in der zeitung erfolgreich abgedruckt werden. sein leben beginnt zwar – mittlerweile frei von materiellen sorgen – angenehm und bequem zu werden, doch wirklich zufrieden ist david nicht und fühlt sich verkannt. als er von einem ihm unbekannten verleger eine einladung mit einem seltsamen auftrag erhält, glaubt er an diese chance. david nimmt an und gerät in einen sog gefährlicher und unheimlicher ereignisse, die ihn nicht nur seine grosse liebe sondern beinahe auch sein leben kosten.
diese grosse und komplexe geschichte über menschliche beziehungen, leidenschaften, liebe und freundschaft handelt im alten barcelona zu beginn des 20. jahrhunderts. menschen, die einander ehrlich zugetan sind und sich für einander einsetzen, aber auch menschen, denen ihre eigenen vorteile über allem stehen sind das umfeld, in dem david sich mit nicht immer sicherem urteil bewegt. er will viel, erreicht viel und verliert am ende auch wieder vieles. das unterhaltsame buch ist auch eine liebeserklärung an das alte barcelona und voll von geheimnisvollen begegnungen und mystischen ereignissen, die ihm über weite strecken zu einer ganz speziellen stimmung verhelfen.