23.04.2022

khaled alesmael: selamlik

als sohn einer gutbürgerlichen familie studiert furat in damaskus. dort erlebt er nicht nur die unruhige zeit nach dem tod des präsidenten hafiz al-assad, sondern auch die erste grosse liebe seines lebens mit ali, seinem zimmernachbarn im studentenwohnheim. er erkundet damals das vielfältige, versteckte schwule milieu der syrischen hauptstadt, was wegen der verfolgung durch islamische fundamentalisten nicht ungefährlich ist. als das haus seiner familie geplündert wird und homosexuelle männer immer mehr opfer von verfolgung und gewalt werden, beginnt seine flucht, die letztlich in schweden endet.
von anfang an bannt einen diese besondere und sehr persönliche flüchtlingsgeschichte. nicht die träume, die nicht in erfüllung gehen, nicht die neue realität im asylland stehen im zentrum, sondern der alltag im asylbewerberheim. hier wird furat mit einem ebenso homophoben milieu konfrontiert, wie zuhause in syrien. er zieht sich oft zurück in sein zimmer und beginnt mit der aufzeichnung seiner erinnerungen. zurückblickend lässt er in einem dichten text ein bild seines damaligen lebens und seiner flucht nach europa entstehen. direkt, offen, schonungslos bis brutal beschreibt er erotische und sexuelle träume, aber auch seine wünsche von einem besseren leben in einer gerechteren gesellschaft.

17.04.2022

bas kast: das buch eines sommers

das leben von nicolas ist eher anstrengend. nach dem tod seines vaters führt er das erbe, ein pharmaunternehmen, weiter. seine familie sieht er immer seltener, weil die arbeit ihn völlig beansprucht. aber eigentlich hatte er andere träume und ziele in seinem leben. alles fühlt sich irgendwie falsch an. als sein onkel, der immer sein grosses vorbild war, stirbt, beginnt er sich darauf zu besinnen, was er im leben wirklich immer wollte. er beginnt mit dem schreiben seines ersten buches.
ein fast zu schöner und leicht zu lesender roman. auch wenn einiges sehr gut arrangiert ist, manchmal etwas konstruiert daher kommt, trifft dies jeweils nur die vordergründige geschichte. der dahinter liegende philosophische diskurs trifft den puls der zeit und könnte als handlungsanleitung für menschen dienen, die den ausstieg aus einem ungewollten, fremdbestimmten leben versuchen und mehr sich selbst werden wollen.

15.04.2022

karl rühmann: der held

im gefängnis des internationalen gerichtshofs in den haag freunden sich zwei insassen an. beide haben früher in der gleichen armee gedient, im krieg kämpfen sie dann aber auf gegnerischen seiten. der general wird in einem prozess freigesprochen und kehrt als held in die heimat zurück. dort lebt er zurückgezogen und bleibt in einem briefwechsel in kontakt mit seinem ehemaligen mitgefangenen offizier. ana, eine kriegswitwe aus dem dorf, wird seine haushälterin. sie findet heraus, dass der general ein kriegsverbrechen zu verantworten hat, bei dem ihr mann ums leben gekommen ist. kurz vor der heldenfeier, wird der general erneut verhaftet.
ohne dass orte oder genaue begebenheiten genannt würden, assoziiert man beim lesen die geschichte mit dem balkankrieg in den 1990er-jahren. während der briefwechsel etwas kompliziert und unbestimmt die damaligen ereignisse ans licht bringt, erscheinen demgegenüber die beziehung zwischen den handelnden menschen sehr konkret und klar. trotz der schwere des themas leicht zu lesen, gibt dieses buch mit einer gut geführten handlung einen blick auf späte folgen eines bürgerkrieges und deren schleppende aufarbeitung.

05.04.2022

tim krohn: herr brechbühl sucht eine katze

alte und junge leute wohnen, teilweise seit jahren, gemeinsam in einem mietshaus in zürich. ihr zusammenleben ist geprägt von liebschaften, langjährigen beziehungen, streitigkeiten, nach­bar­schafts­hilfe und gegenseitigen abhängigkeiten. eine durchgehende handlung gibt es eigentlich nicht, es ist eher eine erfrischende aneinanderreihung von ereignissen. sehr unterschiedliche gefühlslagen kommen an die oberfläche und beeinflussen das jeweilige geschehen.
in einer nachbemerkung am ende erfährt man, dass das buch teil eines projektes ist, das der autor «menschliche regungen» nennt. unterstützende personen konnten zu einem begriff, in den text zu integrierende wörter und zahlen vorgeben. auf dieser grundlage sind die kapitel und deren ueberschriften entstanden; dementsprechend erscheinen einzelne umstände, orte oder wörter manchmal etwas abenteuerlich in der gesamtgeschichte. eine lustige idee, meisterhaft umgesetzt, so ist ein echt lesenswertes, erfrischendes buch daraus entstanden.