mit
einer übermässig beschützenden mutter und einem vater, der
offiziell im ministerium für aussenhandel,
in wirklichkeit
aber für die staatssicherheit arbeitet, wächst klaus unter einer
strengen erziehung auf. er schreibt in autobiografischer form
an einen amerikanischen journalisten über
seine jugend in der ddr bis zum mauerfall 1989, an dem er
massgeblich beteiligt gewesen zu sein vorgibt. seine kindheit ist vor
allem geprägt durch den hygienewahn seiner mutter. in seiner
pubertät beherrschen ihn viele erotische phantasien und sexuelle
bedürfnisse, die immer wieder durch die von seiner mutter
vermittelten tabus gestört werden. später folgt seine mitarbeit bei
der staatssicherheit, in die er auf nicht ganz nachvollziehbare
weise gerät und
die ihm auch immer etwas fremd bleibt. in der entscheidenden nacht
gerät er
in die
volksmenge, die die oeffnung der grenze erfolgreich fordert und die
berliner mauer zu fall bringt.
das
buch beschreibt eine schwierige jugend in einem schwierigen umfeld,
pendelt zwischen satire und einer art realem drama. eigentlich leicht
zu lesen und trotz der manchmal etwas skurrilen
handlung immer irgendwie zu verstehen. der text macht eher einen jounalistischen als einen literarischen eindruck. auch das pendeln zwischen
spannung und langfädigen wiederholungen birgt etwas eigenartiges. eher bemühend sind die ganzen geschichten um seinen penis, die sich penetrant durch das ganze buch ziehen. für leute, denen die lebenssituation in der ddr völlig unbekannt
ist, bleibt die geschichte wahrscheinlich über längere strecken ein
rätsel.
26.02.2024
thomas brussig: helden wie wir
15.02.2024
philipp oehmke: schönwald
hans-harald und ruth schönwald sind
seit vielen jahren verheiratet und haben drei erwachsene kinder.
chris, der aelteste, ist professor an einer amerikanischen
eliteuniversität, karolin eröffnet mit einer freundin eine
lesbisch-schwule buchhandlung, benni ist verheiratet und hat zwei
söhne – auf den ersten blick geordnete verhältnisse. während ihr
mann alles analysierend hinterfragt, ist ruth meisterin, probleme zu
ignorieren und auszusitzen. als die ganze familie an der eröffnung
des buchladens mit einer demonstration konfrontiert wird, beginnt die
vermeintliche harmonie zu bröckeln, plötzlich kommt allerlei an den
tag: chris hat seine stelle schon seit einiger zeit verloren, benni
hat emilia geheiratet, für die karolin gefühle gehabt hatte, ruth
hat jahrelang nebenher eine aussereheliche beziehung geführt und
harry hat nicht alle tennisstunden bei diesem sport verbracht. nur
drei tage später, an einem von benni für die ganze familie
geplanten grillfest, ist der sorgsam gepflegte scheinbare
familienfriede nicht mehr zu retten.
in einer reichen, zeitweise
provokativen sprache wird das bild einer deutschen nachkriegsfamilie
gezeichnet, die sich mit der unmittelbaren vergangenheit nicht
auseinandersetzt und wenig bis kaum über ihre aktuellen
schwierigkeiten spricht. zwar werden in dieser weitläufigen
geschichte viele problemfelder und ereignisse nicht zu einem
stimmigen ende geführt, trotzdem bleibt die spannung immer erhalten
und entwickelt einen starken sog. durch kapitel klar abgegrenzte
zeitliche rückblenden machen es einfach, der komplexen
handlungsstruktur zu folgen. emotionale momente und dramatische
situationen unterbrechen immer wieder die alltägliche
durchschnittlichkeit. moralisch, ohne moralisierend zu sein, und
dramatisch findet der roman einen eher unerwartet unaufgeregten, fast
ein wenig enttäuschenden schluss mit einem offenen ende.
08.02.2024
concetto vecchio: jagt sie weg!
unter vielen anderen italienern ist
auch carmelo zur arbeit in die schweiz ausgewandert. in süditalien
ist die arbeitslosigkeit in den 1960er-jahren hoch, während die
industrie in der schweiz dringend arbeitskräfte sucht. eine
beachtliche zahl von menschen vor allem aus italien findet hier
arbeit – lebt aber unter unmenschlichen bedingungen. das
saisonierstatut verbietet den familennachzug, oft leben die
zugewanderten in baracken oder anderen unzulänglichen unterkünften,
weil ihnen nichts anderes zur verfügung gestellt wird. viele von
ihnen verstecken ihre kinder, die sie illegal hierher mitgenommen
haben. gleichzeitig wird viel unmut in der bevölkerung geschürt. an
die spitze der «nationalen aktion für volk und heimat» setzt sich
james schwarzenbach mit seiner ueberfremdungsinitiative für die
reduktion der ausländischen wohnbevölkerung ein. die initiative
spaltet das volk, wird letztlich abgelehnt, aber hinterlässt spuren,
die bis heute spürbar sind.
in einem sehr persönlichen,
emotionalen und gleichzeitig sachlichen text zeichnet der autor nicht
nur die lebensgeschichte seiner eltern und ihrer leidensgenossen
nach, sondern analysiert auch die person und das wesen des james
schwarzenbach. er veranschaulicht auf sehr differenzierte art die
konflikte zwischen den interessen der wirtschaft und der
gesellschaftlichen wahrnehmung. ein stück unrühmlicher schweizer
geschichte, das mich sehr betroffen macht, tut sich auf und trotzdem
findet das buch einen versöhnlichen schluss.