15.02.2024

philipp oehmke: schönwald

hans-harald und ruth schönwald sind seit vielen jahren verheiratet und haben drei erwachsene kinder. chris, der aelteste, ist professor an einer amerikanischen eliteuniversität, karolin eröffnet mit einer freundin eine lesbisch-schwule buchhandlung, benni ist verheiratet und hat zwei söhne – auf den ersten blick geordnete verhältnisse. während ihr mann alles analysierend hinterfragt, ist ruth meisterin, probleme zu ignorieren und auszusitzen. als die ganze familie an der eröffnung des buchladens mit einer de­mon­stration konfrontiert wird, beginnt die vermeintliche harmonie zu bröckeln, plötzlich kommt allerlei an den tag: chris hat seine stelle schon seit einiger zeit verloren, benni hat emilia geheiratet, für die karolin gefühle gehabt hatte, ruth hat jahrelang nebenher eine aussereheliche beziehung geführt und harry hat nicht alle tennisstunden bei diesem sport verbracht. nur drei tage später, an einem von benni für die gan­ze familie geplanten grillfest, ist der sorgsam gepflegte scheinbare familienfriede nicht mehr zu retten.
in einer reichen, zeitweise provokativen sprache wird das bild einer deutschen nachkriegsfamilie gezeichnet, die sich mit der unmittelbaren vergangenheit nicht auseinandersetzt und wenig bis kaum über ihre aktuellen schwierigkeiten spricht. zwar werden in dieser weitläufigen geschichte viele problemfelder und ereignisse nicht zu einem stimmigen ende geführt, trotzdem bleibt die spannung immer erhalten und entwickelt einen starken sog. durch kapitel klar abgegrenzte zeitliche rückblenden machen es einfach, der komplexen handlungsstruktur zu folgen. emotionale momente und dramatische situationen unterbrechen immer wieder die alltägliche durchschnittlichkeit. moralisch, ohne moralisierend zu sein, und dramatisch findet der roman einen eher unerwartet unaufgeregten, fast ein wenig enttäuschenden schluss mit einem offenen ende.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen