05.03.2012

charles lewinsky: gerron

kurz vor beginn des 20. jahrhunderts wird kurt gerron in eine zeit geboren, die ihn später zwei kriege erleben lässt. im ersten weltkrieg wird er an der front verwundet, später mit seinem angefangenen medizinstudium in einem lazarett eingesetzt. nach dem krieg wendet er sich seiner wirklichen leidenschaft, der schauspielerei, dem theater und dem film zu und wird damit berühmt. nach der machtergreifung der nationalsozialisten verlässt er – wegen seiner jüdischen abstammung – deutschland und kommt auf umwegen nach amsterdam. nach der besetzung der niederlande ist er auch da nicht mehr sicher, verpasst aber alle fluchtmöglichkeiten nach amerika und wird letztlich ins durchgangslager westerbork verbracht und von dort später zusammen mit seiner frau ins konzentrationslager theresienstadt transportiert. auf anordnung des dortigen lagerkommandanten soll er einen propagandafilm über das schöne leben in theresienstadt drehen. die verweigerung würde seinen tod bedeuten, die zustimmung könnte einigen leuten das leben retten.
dieser roman konfrontiert uns mit den schrecklichkeiten der kriege und der unterdrückung von menschen durch menschen. während wir den hauptprotagonisten durch das ganze buch begleiten, verändert sich seine gesellschaftliche stellung. seine gefühle, sein denken und handeln passen sich den umständen an, seine ethische grundhaltung und sein rechtsempfinden bleiben aber bis zum schluss unverändert. der autor lässt uns an den gedanken der figuren teilnehmen und führt uns so vor augen, warum jeder und jede in extremsituationen dinge zu tun bereit ist, die er oder sie zuvor niemals für möglich gehalten hätte. die sparsame beschreibung von körperlichen uebergriffen und strafen, richtet den blick des lesenden stark auf die psychische gewalt, die teilweise mit sehr wenigen, aber perfiden mitteln an häftlingen und unterdrückten ausgeübt wird.
das buch fusst auf historisch belegten ereignissen. der propagandafilm «theresienstadt, ein dokumentarfilm aus dem jüdischen siedlungsgebiet», von dem noch fragmente existieren, kann unter youtube angeschaut werden. «vieles in diesem roman ist erfunden...» steht im nachsatz, aber vieles hat sich wirklich auch so abgespielt. wir haben alle in den letzten jahrzehnten immer wieder über das dritte reich und den nationalsozialismus gelesen, gehört und gesehen: dieses buch lässt einen betroffen und bestürzt zurück.

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