22.09.2012

daniel zahno: rot wie die nacht

zufällig sitzen sie einander im zug gegenüber, sie gefällt ihm, er gefällt ihr. so beginnt diese liebesgeschichte fast ein wenig stereotyp. sie finden sich und lieben sich. er ist alleinstehend. sie hat drei kinder von drei vätern und lebt mit dem vater des dritten kindes zusammen. eine nicht ganz einfache familienkonstellation, mit der alle beteiligten ziemlich verschieden umgehen. die treffen der beiden liebenden sind schwierig zu planen und einige ueberraschungen stehen an, bis das buch zum schluss eine ganz unerwartete wendung nimmt.
ein text voll von genauen beschreibungen: gemütsregungen und bilder, die uns allen bekannt sind. trotz der schwierigen handlungsanlage kommt die geschichte leicht daher und auch die beinahe unwahrscheinlichen ereignisse und fakten erscheinen weder zusammengesucht noch unmöglich. ein subtiles und philosophisches buch, dessen ende nicht nur überraschend sondern auch etwas abrupt ist.

20.09.2012

katharina zimmermann: die furgge

ende des 17. jahrhunderts wurden die täufer im emmental durch die gnädigen herren von bern verfolgt und vertrieben. die damaligen lebensumstände der landbevölkerung waren nicht einfach, das leben war kaum abgesichert, naturereignisse konnten die menschen genau so um ihre existenz bringen wie die unberechenbarkeit der vögte. hunger war allgegenwärtig, säuglings- und kindersterblichkeit waren ebenso alltäglich wie unfälle bei der arbeit.
anhand der lebensgeschichte der madleni schilt aufersteht dieses stück zeitgeschichte. uebergetreten zu den täufern verliert sie im verlauf ihres lebens ihren mann, die kinder, den hof und das vermögen, einfach alles, trotzdem bleibt sie standfest und hält an ihrem glauben fest. das ganze ist eingebettet in die rahmenhandlung von anna, einer musikerin, die dieser geschichte anlässlich eines aufenthaltes in der gegend nachgeht.
ein kurzweiliger und spannender geschichtsroman, der uns in diese dunkle zeit entführt. aber auch ein politisches buch, das uns aufzeigt, wie die regierung in bern die kirche zur unterjochung des landvolkes einsetzte und dessen ueberlaufen zu den täufern eine nur logische folge war. spannend von der ersten bis zur letzten seite und aktuell, wenn man die heutige zeit betrachtet, in der es so viele religiös bedingte konflikte gibt.

18.09.2012

alex capus: léon und louise

léon und louise lernen sich kurz vor ende des ersten weltkrieges kennen und verlieben sich. nur ganz kurz ist ihre gemeinsame zeit: unterwegs auf dem rückweg von ihrem ausflug an die französische atlantikküste, wo sie ihre erste gemeinsame nacht verbracht haben, geraten sie in einen fliegerangriff und verlieren sich. beide halten einander für tot. léon heiratet später eine andere frau und wird vater von fünf kindern. louise führt ein selbständiges leben alleine. 1928 treffen sie sich zufällig in der pariser metro wieder. erneut trennen sie sich und versprechen sich auch, sich gegenseitig nicht mehr zu suchen. der zweite weltkrieg bringt sie wieder weit auseinander. erst als louise 1945 aus afrika nach frankreich zurückkehrt treffen sie sich von da an wieder regelmässig. für die familie ist die frau, die an der beerdigung von léon unerwartet in der kirche erscheint eine unbekannte.
es ist eine liebevolle und schöne geschichte, die die spannung hält und auch in dieser schwierigen beziehungskonstruktion nie kitschig oder oberflächlich wird. eine wunderbare beschreibung der einzelnen charaktere, und dies nicht nur der hauptfiguren, bringt ebenso farbe und intensität in die geschichte, wie die zeitlich wechselnde, aber immer übersichtliche, handlungsführung. ein eigentlich schweres thema kommt so erstaunlich leicht geschrieben daher. schade dass es nach etwas über dreihundert seiten zu ende ist. gerne hätte ich noch weitergelesen.

06.09.2012

agota kristof: die analphabetin

es ist ein buch mit einem autobiografischen hintergrund. darin beschreibt die autorin die konfrontation mit französisch, der sprache ihrer neuen heimat nach ihrer flucht aus ungarn 1956. mit prägnanten und kurzen sätzen erfahren wir auf nur 75 seiten so viel wichtiges über die sprachliche situation der migrantin. während sie schon mit vier jahren lesen konnte und immer viel gelesen hatte, wurde sie plötzlich wieder – wie sie es beschreibt – zur analphabetin. zwar konnte sie nach einiger zeit die neue sprache sprechen und verstehen, lesen und schreiben musste sie diese aber später mühsam erlernen. zu einer begeisterten wörterbuchleserin sei sie geworden, schreibt sie.
ein kleines werk, das auf ein problem aufmerksam macht, das auch heute eine grosse aktualität hat.