28.01.2013

matthias zschokke: der mann mit den zwei augen

der mann mit den zwei augen ist der titelheld des buches und er erlebt viel, aber nicht wirklich etwas spektakuläres. wir erfahren nicht viel zu seiner person. nein, wir folgen beim lesen einem stück seines lebens, das sich von einer begebenheit zur nächsten bewegt, er nimmt beziehungen auf, trifft leute, macht sich gedanken, trifft nachbarn im treppenhaus. ab und zu sucht er das freudenhaus auf und erlebt dort eher skurriles. das zusammenleben mit (s)einer frau gestaltet sich eher wohngemeinschaftsartig und trotzdem ist es eine liebe. und alles bleibt in dieser geschichte irgendwie im ungefähren.
die schöne und reiche sprache, in der viele alltägliche beobachtungen notiert werden, macht das lesen dieses buches, das keine wirklich spannende handlung hat, leicht und vergnüglich. immer wieder entdeckt man dinge, die man selbst genau so beobachtet hat, situationen, die einem bekannt vorkommen. ein meisterhaft geschriebenes buch, das einen hin und wieder etwas herausfordert.

14.01.2013

mahi binebine: die engel von sidi moumen

in einem bidonville von casablanca wachsen die jugendlichen in grosser armut und ungewisser zukunft auf. in abfalldeponien suchen sie nach verwertbarem, das sie zu etwas geld machen können um zu überleben. dort spielen sie auch fussball, einer ihrer wenigen lichtblicke. in diese perspektivelosigkeit kommt abu subair, der den jungen arbeit vermittelt, sich um sie kümmert und sie und ihre familien unterstützt. er gewinnt ihr vertrauen, sie besuchen ihn in seiner behausung und hören ihm zu, wenn er erzählt und ihnen das paradies verspricht. das paradies sei nahe und zu verlieren gibt es in dieser siedlung, in der armut, gewalt und unerfüllte träume vorherrschen, nicht viel. so ist es für abu subair ein leichtes, die jungen für den folgenschweren weg mit dem „paradiesgürtel“ zu gewinnen.
rückblickend aus dem jenseits erzählt einer der jungen spannend, traurig aber auch mit humor seine geschichte. er und seine freunde, die in sidi moumen gross geworden sind, waren von abu subair und dessen glaubensgenossen auf einen weg geführt worden, an dessen ende sie mit sprengstoffgürteln zu einem touristen-hotel unterwegs waren. mit dem beenden ihrer leben hatten sie viele der dort anwesenden mit in den tod gerissen.
ohne zu urteilen oder zu werten ist es dem autor gelungen uns die lebenswege von jungen menschen zu zeigen, die – weil sie nichts zu verlieren haben – ihr leben verschenken.

09.01.2013

silvio huonder: die dunkelheit in den bergen

anfangs des 19. jahrhunderts werden in einer abgelegenen mühle in den bergen graubündens der müller und seine beiden mägde grausam ermordet aufgefunden. schnell wird ein tiroler, der sich immer wieder in der gegend herumtreibt, verdächtigt und verfolgt. bei seiner festnahme gibt er die tat auch zu. doch da gibt es noch die bäuerin, die ihren mann anzeigt, da er zur tatzeit auch bei der mühle gewesen sein soll. der polizeidirektor nimmt mit zwei aus fremden kriegsdiensten zurückgekehrten männern die verfolgung auf und findet die weiteren verdächtigen im verfallenden stammschloss seiner eigenen vorfahren. die aussagen der angeklagten widersprechen sich und der fall wird nie ganz aufgeklärt.
mit bildhaften beschreibungen entführt uns der autor in eine zeit, in der graubünden, erst wenige jahre teil der schweizerischen eidgenossenschaft, noch eine wilde gegend war, in der es nicht immer einfach war, recht und ordnung durchzusetzen. eine kriminalgeschichte ganz besonderer art, eingebettet in ein historisches zeitgemälde, von dem eine grosse spannung und faszination ausgeht. neben der handlung erfährt man einiges über das leben in jener zeit. das etwas schnell und unvermittelt daher kommende ende lässt einige fragen offen. gerne hätte ich noch etwas über die bäuerin erfahren, die ihren mann angezeigt hat und damit wahrscheinlich auch ein stück der eigenen existenz und die ihrer kinder aufs spiel gesetzt hat.

04.01.2013

marlen haushofer: die wand

eine frau fährt mit ihrer cousine und deren mann für ein paar tage in ihr jagdhaus. das paar geht abends noch einmal ins dorf und kehrt nicht mehr zurück. am nächsten morgen macht sie sich auf die suche nach ihnen und trifft unterwegs auf eine unsichtbare wand, die sie nicht überwinden kann. hinter der wand ist kein leben mehr zu sehen, sie bleibt mit dem hund alleine auf der welt zurück. eine kuh, später auch eine katze, laufen ihr zu. es bleibt ihr nichts anderes als sich mit ihren tieren auf ein einsames leben einzurichten.
aus der retrospektive nach zwei jahren dieses lebens erfolgt ihr bericht darüber. eine art robinson-geschichte, die realistisch beschreibt, wie ein leben ohne die annehmlichkeiten der zivilisation immer schwieriger wird und viel einfallsreichtum erfordert. aber vor allem ein philosophisches werk über leben, ueberleben und den sinn des lebens. in ihrer einsamkeit wird die frau auf existenzielle fragen zurückgeworfen.
obwohl nicht wirklich etwas geschieht, ist dieser bericht etwas selten spannendes. in einer unkomplizierten und klaren sprache berichtet die autorin von dieser ausnahmesituation, die einen unerwarteten ausgang nimmt und vieles offen lässt.
elke heidenreich zählt es zu einem der zehn wichtigsten büchern ihres lebens, es geht mir ähnlich.