30.12.2013

john williams: stoner

stoner wächst als einziger sohn auf einer farm im mittleren westen der usa auf, seine eltern sind hart arbeitende, wortkarge menschen und seine zukunft scheint vorgezeichnet. sein vater schickt ihn nach der schule zur universität für ein agronomie-studium. doch schon nach einem semester wechselt er seine studienrichtung: literatur ist seine leidenschaft. er wird professor für literatur an ebendieser universität, heiratet und hat eine tochter, um die er sich in den ersten jahren liebevoll kümmert, da es seine frau nicht tut. die ehe ist zerstörerisch und einzig die jahre mit seiner geliebten lassen ihn versteckt eine befriedigende liebe erleben. am arbeitsplatz muss er einen vorgesetzten aushalten, der ihn hasst, ihn aber nicht entlassen kann und ihm möglichst viele schwierigkeiten macht. zur zeit seiner pensionierung wird stoner krank und stirbt. in seinem eigentlich unspektakulären leben muss er mit vielen widrigkeiten und schicksalsschlägen fertig werden. er tut dies mit einer stoischen ruhe, einer kraft, die er aus seiner liebe zur literatur bezieht und die ihn scheinbar alles unbeschadet überstehen lässt.

so karg und klar stoner durchs leben geht, so karg und klar ist die sprache dieses romans. sofort ist man beim lesen mittendrin. kapitel um kapitel staunt man immer wieder über den verlauf der geschichte, meint selbst eingreifen zu müssen, damit es sich für stoner zum besseren wendet. aber auch ohne unser „eingreifen“ bewältigt er all diese widrigkeiten, wird nicht verbittert, nimmt alles so hin, wie es kommt und bleibt sich selbst treu bis zum ende. selbst sein abgang ist frei von hader. diese wundersame geschichte zeigt ein bild eines menschen, der diese kraft hat, die man nicht immer versteht, aber die man sich selbst wünscht.

25.12.2013

nadine gordimer: keine zeit wie diese

steve, der weisse professor, und jabu, die schwarze anwältin, stehen für das neue südafrika. kennengelernt hatten sie sich als revolutionäre im kampf gegen die apartheid und ihre liebe begann, als dies für sie noch verboten war. inzwischen führen sie ein bürgerliches leben in einer vorstadt mit eigenem haus und zwei kindern. mit den in ihrer umgebung lebenden früheren kampfgenossinnen und -genossen, die mittlerweile alle auch zum gut verdienenden mittelstand gehören, finden sie sich in einer oase von ruhe und relativem frieden. doch realisieren sie die veränderungen, die die neue präsidentschaft unter jacob zuma mit sich bringt und sehen längerfristig keine perspektive mehr für sich in diesem land.
einzigartig versteht es nadine gordimer am puls der zeit zu bleiben. mit diesem roman vermittelt sie einen blick in das heutige südafrika, zwanzig jahre nach der abschaffung der apartheid, auf die eine andere art der ausgrenzung grosser teile des volkes folgte. reichtum und armut haben folgen auf das zusammenleben und die zuwanderung von flüchtlingen aus simbabwe gefährdet den ohnehin schon brüchigen sozialen frieden. differenziert lässt sie ihre protagonisten über die unterschiedliche sichtweise auf die aktuellen probleme diskutieren. ohne urteile zu fällen gelingt es ihr, das komplexe sozialgefüge dieses volkes, das noch immer unter den folgen des apartheidregimes leidet, zu beschreiben und verstehen zu lernen.
verschiedene handlungsebenen und schauplätze sind sehr dicht verknüpft und komplex beschrieben, so dass das lesen grosse aufmerksamkeit erfordert. es ist ein gewaltiger roman, kein buch der leichten unterhaltung.

15.12.2013

franz hohler: die steinflut

damit sie aus dem haus sind werden die siebenjährige katharina und ihr jüngster bruder kaspar kurz vor der niederkunft der mutter, in die höhe über dem tal geschickt, wo ihre grossmutter wohnt. katharina beschäftigt schon in ihrem alter die frage, woher die kinder kommen, wagt aber die erwachsenen nicht zu fragen. ein paar tage später sollen die kinder wieder nach hause ins tal und so geht die grossmutter mit dem kleinen kaspar und der entlaufenen katze hinunter. katharina weigert sich mitzugehen, bleibt noch oben und überlebt so den elmer bergsturz, während ihre ganze familie verschüttet wird und ums leben kommt.
die novelle, aus der ungewohnten optik eines kindes erzählt, fusst auf der historischen gegebenheit und wird zum zeugnis einer von den menschen gemachten naturkatastrophe. durch den schieferabbau wurde damals die stabilität des berges untergraben. aus der sicht einer siebenjährigen lesen wir, wie es zu jener zeit zu und her ging, in der armut und kindersterblichkeit herrschten, welche werte für die menschen wichtig waren und wie sie damit umgingen.

12.12.2013

joël dicker: die wahrheit über den fall harry quebert

als harry quebert, ein berühmter schriftsteller und literaturprofessor unter verdacht gerät, die 15-jährige nola nicht nur ermordet, sondern auch ein liebesverhältnis mit ihr gehabt zu haben, ruft er seinen ehemaligen studenten marcus goldman an, den er als seinen einzigen freund betrachtet. marcus reist aus new york zum ort des geschehens in new hampshire und beginnt mit eigenen ermittlungen. immer mehr fragen tauchen auf, kaum jemand, der nicht in verdacht kommt oder sonst irgendwie mit der sache zu tun hat. in der sonst beschaulichen kleinstadt an der küste wird es unruhig, gegenseitige verdächtigungen vergiften das klima. immer wieder neue erkenntnisse geben der geschichte unerwartete wendungen. gleichzeitig steht marcus unter druck, ein neues buch schreiben zu müssen, die ganze härte des verlagsgeschäftes trifft ihn. diese abenteuerliche fahndungsgeschichte wird letztlich zu seinem neuen buch.
nach der vergabe des „grand prix du roman“ der académie française erwartet man alles, nur keinen amerikanischen krimi. genau das ist es eigentlich. aber nicht nur das. auf einer anderen ebene beschreibt er kritisch die ganze buchindustrie mit ihren verlagsgeschäften. brillant und tiefgründig geschrieben, trotz einiger längen in der mitte, spannend bis zum schluss führt uns der autor durch das komplexe geschehen. ein unterhaltendes lesevergnügen, das sich schlecht unterbrechen lässt.