26.12.2014

uwe timm: vogelweide

auf einer hallig in der nordsee hält sich christian eschenbach auf. nach seinem konkurs als unternehmer fand er hier eine anstellung, um die vogelpopulation zu dokumentieren und wetterdaten aufzuzeichnen. ein ruhiges einsames leben, in das die ankündigung seiner früheren geliebten anna bricht, die ihn besuchen will. in der kurzen zeit bis zu ihrer ankunft – kaum zwei tage – lässt er seine lebensgeschichte revue passieren. wie er und seine freundin selma das ehepaar ewald und anna kennengelernt und sich mit ihnen befreundet haben. wie anna und er eine liebesbeziehung angefangen haben, lange unentdeckt von den anderen beiden. nach dem eklat flüchtete anna nach amerika und selma beginnt mit ewald eine beziehung und zieht zu ihm.
in dieser komplexen beziehungsgeschichte wird kaum etwas ausgelassen. die modernen und fortschrittlich denkenden, erfolgreichen menschen bleiben zum teil grosszügig und tolerant, dann wiederum verstricken sie sich in neid, eifersucht und egoismus.
trotz der brillanten dialogführung ist das buch nicht einfach zu lesen, abrupt wechseln schauplätze und die figuren scheinen mir mit ihrem wohlstand und erfolg etwas überzeichnet.

15.12.2014

friedrich glauser: gourrama

gourrama ist ein eher verlassener ort, ein grenzposten in marrokko. hier ist eine kompagnie von fremdenlegionären stationiert, über deren alltag wir viel erfahren. eine geschichte über liebe und hass, vertrauen und misstrauen, freundschaft und feindschaft. treffend sind die mechanismen dieser männergesellschaft beschrieben, menschliche abgründe tun sich ebenso auf wie kameradschaft und zuverlässigkeit. dieses stück zeitgeschichte ist sicher autobiografisch indiziert, aber aus einer gewissen distanz geschrieben.

12.12.2014

joachim b. schmidt: am tisch sitzt ein soldat

die erinnerung an den am tisch sitzenden soldaten kommt jón erst später. die geschichte beginnt in hamburg, wo der isländer jón medizin studiert und erfährt, dass seine mutter im sterben liegt. er reist zurück, auf den abgelegenen hof im norden seiner heimat, wo seine mürrische tante rósa, seine mutter und sein behinderter bruder leben. in der umgebung, in der er seine jugend verbracht hat, holen ihn bilder seiner kindheit ein, deren zusammenhang er nicht verstehen kann. fragen werden ihm nicht oder nur widerwillig beantwortet und es wird immer klarer, dass um den im fluss ertrunkenen vater ein geheimnis gehütet wird. als er unter dem einzigen baum auf dem hof vergrabene menschliche knochen findet, tun sich mehr fragen auf, als je beantwortet werden können.
spannend, unheimlich und fast ein wenig mystisch ist diese familiengeschichte. meisterhaft gelingt es dem autor nicht nur die handlung in diese einzigartige landschaft zu betten, sondern auch die wortkargen menschen und ihr leben in dieser rauen umgebung zu beschreiben. die relative langsamkeit der ereignisse baut eine starke spannung auf, die einen von anfang bis schluss fesselt.

08.12.2014

kristof magnusson: arztroman

der titel des buches lässt gemischte gefühle aufkommen, nach den ersten zwei kapiteln ist man aber voll in einer spannenden geschichte. adrian und anita, arzt und aerztin, trennen sich. adrian zieht zu seiner neuen freundin heidi, während anita sich in die arbeit als notärztin stürzt. sie meint zunächst mit der situation gut umgehen zu können. als sie ihren ehemaligen mann bewusstlos mit einer spritze in der hand auf einer toilette im krankenhaus findet, verliert sie ihre abgeklärtheit. eine achterbahn der gefühle lässt sie nicht immer geschickt handeln und die vielen erwartungen und hoffnungen erfüllen sich nicht. erst gegen den schluss findet sie wieder boden unter den füssen. 
zeitweise rasant, wie die blaulichteinsätze, zeitweise aber eher verhalten und beschaulich, pendelt der roman zwischen action und reflexion hin und her und gibt ein gutes bild, wie schräg es im leben laufen kann, aber auch, wie es eigentlich nie aussichtslos ist. mehrfach überraschende wendungen machen die geschichte spannend und speziell. ein arztroman, der nicht so ist, wie man es sich allgemein vorstellt.

04.12.2014

robert seethaler: ein ganzes leben

als kind kommt andreas egger in das tal, in dem er sein leben verbringen wird. auf einem hof wird er untergebracht, wo er schon als kleiner bub viel arbeiten muss. immer wieder wird er vom bauern geschlagen, irgendwann schlägt er zurück und geht. der beginnende tourismus bringt ihm ein auskommen als arbeiter beim bau von seilbahnen. er lernt marie kennen, die er bald wieder verliert. dann kommt der krieg und er gerät in russland in gefangenschaft. als er nach jahren ins dorf zurückkehrt, lebt er ein ruhiges und zurückgezogenes leben und wird ein auf sich alleine gestellter, etwas kauziger alter.
trotz aller widrigkeiten und schicksalsschläge blickt andreas egger auf ein leben zurück, mit dem er zufrieden ist. er strebt nicht nach geld und reichtum, sondern freut sich an der natur und dem einfachen und friedlichen dasein. wie ein antiheld, in einer welt in der status und reichtum zählen, erscheint uns dieser mann. so klar und einfach sein leben ist, so klar und einfach ist die sprache, in der diese berührende geschichte erzählt wird.