24.12.2016

giuseppe tomasi di lampedusa: der leopard

mitte des 19. jahrhunderts beginnt auch in sizilien eine neue zeit. nicht nur der einfluss des hauses salina sondern auch der der katholischen kirche beginnt zu schwinden. fürst fabrizio, grossgrundbesitzer und patriarch, nimmt die veränderungen wahr und setzt sich mit der neuen zeit auseinander. sein neffe steht bereits auf der seite der liberalen und kämpft für ein vereinigtes italien.
ein geschichtsroman, der vielfarbig und ausführlich das damalige leben in sizilien beschreibt. das familienepos zeigt uns die armut der bauern und der einfachen leute, den reichtum einiger weniger und den massiven einfluss der kirche. treffend beschreibt der roman ein beziehungsnetz von abhängigkeiten in einer zeit, in der die alte feudalherrschaft durch neue, nicht weniger feudalistische strukturen abgelöst wird und den armen kaum bessere verhältnisse bringt.
inspiriert von der kürzlich gesehenen verfilmung viscontis, habe ich das buch nach vielen jahren erneut gelesen. es hat mich gleich wieder begeistert und gefangen genommen.

20.12.2016

martin walser: das dreizehnte kapitel

der schriftsteller sitzt während eines banketts am gleichen tisch wie die theologin, er ist fasziniert von ihr, kann seinen blick kaum von ihr wenden, kommt mir ihr aber nicht ins gespräch. zuhause angekommen, schreibt er ihr; ein briefwechsel beginnt. beide geben immer mehr von sich preis und es wird so etwas wie zuneigung, gegenseitige anziehung oder gar liebe. beide beschreiben immer wieder, wie sehr sie ihren ehepartnern treu bleiben wollen, entfernen sich aber mental von ihnen.
ein buch mit viel philosophie, dessen sprache unheimlich komplex daher kommt und das zu lesen nicht immer ganz einfach ist. es erfordert viel konzentration. trotzdem hat sich mir bis zum schluss das ziel dieses werkes nicht erschlossen.

11.12.2016

alina bronsky: baba dunjas letzte liebe

tschernowo ist baba dunjas heimatdorf und dahin kehrt sie zurück. die gegend ist nach dem reaktorunfall von tschernobyl verstrahlt und offiziell unbewohnbar. sie und ein paar andere rückkehrer leben in ihrer dorfgemeinschaft unbehelligt als selbstversorger, bis ein fremder mit seinem kind ins dorf kommt. sein tod ruft die offizielle miliz auf den plan und das beschauliche selbstbestimmte leben scheint ein ende zu nehmen.
eine schöne, liebevolle und eindrückliche geschichte über eine frau, die mit beiden füssen auf dem boden steht und ein leben lang hart gearbeitet hat. was ihr bleibt sind haus und garten in dieser sperrzone und die briefe an ihre tochter. doch sie strahlt eine faszinierende zuversicht aus und lebt ein aussergewöhnliches leben.
trotz des humors und der situationskomik wird die tragik der nuklearen katastrophe und des lebens danach keineswegs kleingeredet.

02.12.2016

yusuf yeşilöz: gegen die flut

als asylbewerber kam alan in die schweiz. aus der damaligen zwangsverheiratung mit einer cousine entstammt seine erste tochter, zu der er keinen kontakt hat. seine zweite frau, eine einheimische, trennt sich von ihm. in dieser zeit lernt er eine neue frau kennen, aber es wird letztlich keine beziehung daraus.
weitgehend auf sich alleine gestellt wird er immer wieder konfrontiert mit den regeln und zwängen seiner herkunftsgesellschaft und den erwartungen seiner familie. er lebt zwischen zwei unterschiedlichen kulturen, zwei unterschiedlichen wertesystemen und realitäten. es ist für ihn nicht einfach, seinen weg und seine wahrheit zu finden.
bildreich bringt uns der roman die zerrissenheit dieses mannes nahe. eindrücklich und genau entwirft der autor ein bild des hauptprotagonisten, der stellvertretend für viele migranten steht. beim lesen kommt eine ahnung auf, wie wenig wir eigentlich über unsere eingewanderten mitmenschen wissen.