malek, ein junger palästinenser, hat
die besondere fähigkeit, allein durch seine anwesenheit, menschen,
die sich hassen, dazu zu bringen, sich gegenseitig in die augen zu
sehen und in friedlicher absicht aufeinander zuzugehen. irgendwie ist
es den israelischen sicherheitskräften unheimlich, sie wähnen einen
verdeckten terroristen und bringen ihn ins gefängnis. aber für die
menschen, denen er begegnet, ist er ein engel. so wird er zu einem
mythos: der kampf um seine befreiung beginnt. die journalistin layla,
selbst palästinenserin, will die wahrheit finden und schreibt eine
reportage über diesen engel. gleichzeitig verliebt sie sich in einen
israeli. da dies eigentlich nicht geht, kämpft sie lange gegen ihre
gefühle.
es ist wie eine art märchenbuch mit
wundern und nicht erklärbaren erscheinungen. weniger märchenhaft
ist die schonungslose schilderung des wahnsinns des israelischen
alltags und der jüdisch-palästinensischen konflikte. zwischen
wunderbaren sonnenuntergängen am meer und bombenanschlägen leben
die menschen in permanenter spannung und unsicherheit. die autorin
entwickelt in diesem umfeld eine geschichte, die etwas unwirkliches,
aber auch etwas schönes und versöhnliches hat. der eigenartige aber
gelungene roman hat eine tiefe friedensbotschaft.
30.08.2020
joana osman: am boden des himmels
23.08.2020
francesca melandri: alle, ausser mir
ilaria ist vierzig und lehrerin in
einer staatlichen schule in rom. als sie eines tages nach hause
kommt, sitzt ein junger flüchtling aus aethiopien vor ihrer
wohnungstüre und behauptet, mit ihr verwandt zu sein. laut seinem
ausweis ist sein name auch der name ihres vaters. nachdem sie ihn in
ihrer wohnung aufgenommen hat, beginnt sie gemeinsam mit ihrem
halbbruder atilio nachforschungen anzustellen. ihren vater können
sie nicht mehr fragen, seine demenz lässt kaum erinnerungen zu. doch
entdecken sie, dass ihr vater in den 1930er-jahren als militär im
damaligen italienisch-ostafrika stationiert war. der blick auf eine weit verzweigte familie und auf die kolonialzeit italiens tut sich
auf.
mit einer spannenden und breit
angelegten familiengeschichte, die sich über mehrere generationen
hinzieht, wird hier nicht nur ein stück neuerer italienischer
geschichte, sondern auch der heutige umgang damit präsentiert.
drastisch und schonungslos erfährt man von den gräueltaten der faschisten an der afrikanischen
bevölkerung. auf kosten der detailgetreuen beschreibung kolonialen
wirkens verliert der roman zeitweise etwas an spannung und fordert
einem beim lesen einiges an geduld ab. geschickt wechselt die autorin
zwischen realität und fiktion, zwischen der vergangenheit und der
gegenwart und bringt einen immer wieder zurück ins aktuelle
geschehen. verbandelungen innerhalb der familie, abhängigkeiten und
klientelismus sind ebenso realistisch dargestellt wie die
untergeordnete rolle der frauen bis zum heutigen tag. leider verliert
die zentrale handlung zunnehmend an bedeutung und verkommt beinahe
zum nebenschauplatz.
14.08.2020
christoph poschenrieder: das sandkorn
ein mann streut kleine portionen sand
auf die strassen in berlin. dieses an sich harmlose verhalten ist
während der kriegszeit verdächtig. so beginnt eine polizeiliche
untersuchung und jacob tolmeyn wird einem kommissar vorgeführt, der
ihn bald eines mordes verdächtigt. eigentlich lebt jacob aber in rom
und arbeitet am königlich preussisch historischen institut, für das
er in süditalien alte ruinen ausmisst und fotografiert. begleitet
wird er von seinem assistenten beat und von letizia, die ihm die
italienischen behörden als eine art ueberwachungsperson zur seite
gestellt haben. letizia verfolgt aber ganz andere ziele. auf der
gemeinsamen exkursion entwickelt sich eine komplizierte
beziehungsgeschichte zwischen der frau und den zwei männern.
kaum beginnt man zu lesen, ist man
schon tief in die stimmung des beginnenden 20. jahrhunderts
eingetaucht. ein von regeln, autoritäten und tabus bestimmter alltag
leitet das verhalten der menschen. wunderbar treffend und leicht
beschreibt der autor die eifersüchte, animositäten und sehnsüchte
der drei. jedes der im verlauf der geschichte auftauchende
rätselhafte ereignis findet bis zum schluss seine auflösung.
08.08.2020
milena moser: land der söhne
sofia lebt in los angeles und wächst
wohlbehütet bei zwei vätern auf: santi, dem sie irgendwie mehr
zugetan ist, weil er der weniger strenge und lebenslustigere ist, und
giovanni, der giò genannt wird, der eher intellektuelle und in sich
gekehrte. giò ist der sohn von luigi, der als kind mit seiner mutter
nach amerika ausgewandert ist. drei sehr unterschiedliche kindheits-
und jugendjahre von luigi, giò und sofia sind das gerüst dieser
etwas komplizierten familiengeschichte. während luigi, in einer
internatsschule ist, in der aus jungen «richtige männer» werden
sollen, wächst giò mehr oder weniger auf sich selbst gestellt in
einer hippie-kommune auf, die sich auf dem land eines indianerstammes
befindet. seine drogen konsumierende mutter überlässt ihn sich
selbst. eines tages nimmt giò seine tochter auf eine reise an den
ort mit, wo er aufgewachsen ist, weil er dort nicht nur seine mutter
treffen, sondern auch ein erbe antreten will.
eine sehr eigenwillige geschichte, die
etwas viele elemente in sich vereinigt. die gegenüberstellung der
drei unterschiedlich verlaufenden jugendjahre mit der jeweils
schwierigen suche nach orientierung ist das zentrale thema. soweit,
so gut. aber es wird einfach zu viel in diesen text verpackt. so sind
die zustände in der kommune etwas sehr überzeichnet und auch die
andeutungen pädophilen verlangens des schulleiters dienen dem
verlauf der geschichte nicht wirklich. die indianer spielen eine etwas
eigenartige, zuweilen auch unwahrscheinliche rolle. das buch
hinterlässt ein zwiespältiges gefühl, es liest sich zwar flüssig,
aber bleibt trotz allen problemstellungen irgendwie an der
oberfläche.