13.04.2023

kim de l'horizon: blutbuch

autobiografisch berichtet die erzählende person über kindheit, jugend und erwachsenwerden. die flucht aus dem kleinstädtischen vorortsmilieu in die grosse stadt wird zum beginn der eigenen befreienden selbstfindung. durch briefe und gespräche manifestiert sich die wichtige beziehung zur grossmutter. anfänglich bestehen grosse schwierigkeiten, die eigenen wahrheiten und empfindungen ihr gegenüber zu erzählen. mit der zunehmenden demenz der grossmutter wird dies leichter. immer mehr sich selbst sein, immer mehr sich versöhnen mit dem eigenen, früher verhassten körper ist ein schwieriger aber letztlich gelingender prozess, aus dem ein selbstbewusster und selbstverständlich lebender mensch wird.
was für ein buch – zurecht gewinnt es preise!! schnell tauchte ich in diesen berührenden und vereinnahmenden text ab, der eine schwer zu beschreibende faszination auslöste. der sehr persönliche zugang, dieses ehrliche, ungeschminkte schreiben über das nichtbinärsein, über träume, sexuelle gewalt und zärtlichkeit lässt einen diese realität wie sonst kaum etwas fühlen. die blutbuche im heimatlichen garten und die verschwindenden alten wörter der muttersprache – reminiszenzen an die jugendzeit – vermitteln heimat und geborgenheit, geben halt im wechselvollen neuen alltag. die dichte, genderbalancierte sprache mit oft so treffenden und verwegenen wortschöpfungen, die auch unbeschreibliches klar darstellen, tragen viel zum verständnis der fragen um die geschlechteridentität bei. und immer wieder liessen die beschreibungen aufflammender zweifel, unsicherheiten und selbstablehnung mir tränen in die augen steigen. eines der bücher, an dessen lektüre ich mich immer erinnern werde.

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