kalmann, der noch kaum
aus seinem dorf gekommen ist, wird von seinem vater eingeladen, ihn
in amerika zu besuchen. mit ihm macht er sich am 6. januar 2021 auf den weg nach
washington dc. so gerät er nicht nur in die menge, die das capitol
stürmt sondern auch in die fänge des fbi. schnell wird er aber
wieder nach island zurückgeschafft, wo inzwischen sein grossvater
gestorben ist. während alle von einem natürlichen tod des alten
mannes ausgehen, meint nóe, sein internetfreund, es könnte durchaus
auch mord sein. so beginnt kalmann, der selbsternannte sheriff von
raufarhöfn, auf eigene faust nachzuforschen. als er grossvaters
ehemaligen kommunistischen parteikollegen erschossen in seinem haus
findet, ist dies ein weiteres indiz. die beiden waren nicht nur
kommunisten, sondern auch spione moskaus, die die radarstation der
us-armee auf dem berg heiðarfjall im fokus hatten. ein
amerikanischer tourist taucht auf und die ereignisse beginnen sich zu
überstürzen.
bestechend ist die liebevolle
beschreibung des titelhelden kalmann. der junge mann, der die schule
nur knapp bestanden hat, bewältigt das leben auf seine art
erfolgreich. eine fantasievolle, manchmal auch unwahrscheinliche
handlung liefert hier zwar verhalten, aber unmissverständlich auch
eine politische botschaft. der alltag in einem isländischen dorf,
die beziehungen der menschen und die unwägbaren einflüsse von
aussen machen das buch zudem zu einer bunten und spannenden lektüre.
30.01.2024
joachim b. schmidt: kalmann und der schlafende berg
21.01.2024
anne rabe: die möglichkeit vom glück
drei
jahre alt ist stine beim ende
der ddr, dem staat, den sie
nur vom hörensagen kennt. in diese
zeit des umbruchs mit vielen veränderungen, unsicherheiten und
gewalt fällt ihre schulzeit
und das erwachsenwerden. ihre
eltern, zuvor überzeugte parteimitglieder, tun sich schwer mit dem
wertewandel. stine und ihr bruder tim durchleben eine schwierige
jugend, leiden unter einer strengen erziehung, die auch vor
körperlicher züchtigung nicht halt macht. in diesem elternhaus, in
dem über vieles geschwiegen wird, erfahren sie zuwendung und liebe
nur von ihrer grossmutter. stine wird früh schwanger. ihr einziges
ziel ist es, wegzukommen aus der kleinstadt an der ostsee. sie zieht
nach berlin, wo sie, von ihren eltern ungern gesehen, mit hans
zusammenlebt. sie beginnt sich mit der geschichte ihrer familie
auseinanderzusetzen, geht der frage nach, wie ihre grosseltern unter den wechselnden
politischen verhältnissen lebten, vor allem, was sie in der zeit des
nationalsozialismus taten. nachforschungen in vielen archiven bringt
eine bruchstückhafte geschichte ihres grossvaters paul zu tage.
damit tut sich eine schwer auszuhaltende realität über ihn auf.
aber auch bei arndt, ihrem anderen grossvater, zeigt sich
unrühmliches, was ihr damals rätselhafte wahrnehmungen und
kindheitserinnerungen erklärt.
die
persönliche betroffenheit in diesem autobiografisch abgestützten
buch tritt angenehm in den hintergrund und macht einer realen
betrachtung platz. sehr persönlich, streckenweise auch emotional
analysiert die autorin selbst erlebte folgen und nachwirkungen des
aufgelösten staates ddr. sie eröffnet damit einen blick auf ein
stück deutscher geschichte, die oft nicht gesehen werden will und
erklärt -- die politische botschaft ist unverkennbar -- damit auch
die mit sorge betrachtete politische entwicklung im osten
deutschlands. dies alles wird zur spannenden lektüre und trägt bei
zu einer besonderen geschichtsstunde.
17.01.2024
fatma aydemir: dschinns
zu jedem familienmitglied wird ein kapitel angelegt, in der aus der jeweiligen perspektive erzählt wird, was sich am ende zu einem vielschichtigen bild einer familien- und migrationsgeschichte fügt. die alltäglichen schwierigkeiten, die entfremdung der kinder, die erwartungen und enttäuschungen sind ebenso präsent wie der langsame verlust alter überbrachter traditionen. ohne wertung beschreibt die autorin treffend das agieren und schweigen dieser sechs personen in einem text, der kaum einmal an spannung verliert, und bringt uns eine welt nahe, die wir oft nur vom hörensagen kennen.
02.01.2024
isabela figueiredo: die dicke
die relativ plötzliche unabhängigkeit
von mosambik löst viel unsicherheit aus. deshalb wird maria luisa
von ihren eltern mit zwölf jahren zu ihrer grossmutter nach portugal
geschickt. dort wird sie nicht nur als übergewichtige jugendliche,
sondern auch als rückkehrerin diskriminiert. ihre freundin tony ist
das gegenteil: schön, schlank und erfolgreich bei den jungs. doch
dann lernt maria luisa david kennen, der ihre liebe erwidert, sich
aber seiner dicken freundin schämt und sie vor seinen freunden zu
verstecken sucht. dies führt letztlich zu einer trennung, unter der
beide leiden. nachdem ihre eltern ebenfalls aus der ehemaligen
kolonie zurückgekehrt sind, lebt sie wieder bei ihnen. die sehnsucht
ihrer mutter nach dem früheren herrschaftlichen leben kann sie nicht
teilen, was zu konflikten im alltag führt. da sie david nie
vergessen kann, erforscht sie seine wege und sucht nach zufällig
aussehenden begegnungen. letztlich verlässt david frau und kinder,
um zu ihr zurückzukehren.
in diesem autobiografischen roman
überlagern sich einige themen und lassen das titelmotiv eigentlich
eher in den hintergrund treten. die geschichte einer nicht endenden
und zum schluss erfüllten liebe dominiert immer wieder die handlung
und lässt die grossen gesellschaftspolitischen umwälzungen jener
zeit eher etwas blass erscheinen. nicht ohne selbstironie beschreibt
die autorin treffend die gefühlswelt in diesem ungeliebten unmässig
dicken körper. ein sehr persönliches buch, das trotz der vielen
schwierigkeiten eine hoffnungsvolle handlung beinhaltet.