als natali sich in kristin verliebt,
ist nichts mehr wie vorher. verheiratet mit manuel und mutter von
zwei kindern ist ihr lebensmodell plötzlich in frage gestellt. es
wird ihr klar, dass sie so nicht mehr weiterleben will. zudem wird
von ihr als mitglied einer freikirche ein dem traditionellen rollenbild entsprechendes verhalten erwartet. als sie sich für die
trennung entscheidet und eine eigene wohnung nimmt, wenden sich viele
gegen sie. manuel seinerseits hofft auf ihre rückkehr in die alten
familienstrukturen, hält aber an den freikirchlichen traditionen
fest, in denen er gefangen scheint. die beziehung zu kristin
entwickelt sich nicht einfach. letztlich bleibt offen, was daraus
wird.
ein buch zu mehreren aktuellen themen,
das nicht nur die innere zerrissenheit von natali aufzeigt, sondern
auch die relative sprachlosigkeit, mit der die wirkliche
auseinandersetzung des themas innerhalb der familie nicht
stattfindet. zu beginn erschwert eine etwas unübersichtliche
handlungsanordnung das lesen, die dann aber übergeht in einen klaren
und kongruent geführten roman. das offene ende lässt der eigenen
fantasie raum sich den fortgang der geschichte auszudenken.
24.01.2025
tabea steiner: immer zwei und zwei
12.01.2025
monika helfer: vati
als
intelligenter, ruhiger und friedliebender junger mann wird joseph
1944 mit 17 jahren einberufen und an die ostfront geschickt.
dort erleidet
er eine erfrierung,
weshalb
ihm ein unterschenkel amputiert werden
muss.
im lazarett lernt er seine zukünftige frau kennen, mit der er später
fünf kinder hat. er wird verwalter eines erholungsheimes für
kriegsversehrte. ueber den krieg spricht er wie so viele andere, die
an der front waren, nicht. auch sonst ist er eher wortkarg —
seine grosse leidenschaft ist die literatur. dann kommt der tag, an
dem das heim modernisiert und der fokus auf sommergäste gelegt wird.
lieber nimmt josef den sozialen abstieg in kauf und kündigt seine
stelle, denn für diese veränderung will er nicht zur verfügung
stehen. so verlässt er mit seiner familie den glücklichen ort und
die kinder werden bei verwandten untergebracht. joseph, längst
witwer, heiratet eine andere frau, die den kindern eine gute
stiefmutter wird.
ein
sehr persönlicher text, in dem die autorin ihrem vater nachgeht, der
ihr durch seine schweigsamkeit immer etwas fremd
geblieben ist. ereignisse in
ihrer eigenen jugend, gespräche und erinnerungstücke lassen sie das
bild eines liebenswerten, in sich gekehrten mannes mit einem
ausgeprägten gerechtigkeitssinn zeichnen. gleichzeitig vermittelt
sie ein stück sozialer nachkriegsgeschichte. aus ihrer perspektive
geschrieben wird der berührende bericht sehr direkt.
07.01.2025
anthony passeron: die schlafenden
in einem ländlichen tal im umland von
nizza haben es emile und seine frau mit ihrer metzgerei zu einem
gewissen wohlstand und ansehen im dorf gebracht. ihr sohn desiré,
auf den alle hoffnungen gerichtet sind, verfällt jedoch dem heroin.
er ist nicht der einzige im tal, doch darüber wird nicht geredet. er
infiziert sich schon früh mit dem hiv-virus. seine freundin
brigitte, die zudem schwanger wird, ereilt das gleiche schicksal.
immer mehr zeigen sich symptome von aids, doch man schweigt bis
desiré so schwer gezeichnet ist, dass es nicht mehr zu verbergen
ist. nachdem er und seine freundin kurz hintereinander sterben, nimmt
die grossmutter die vollwaise emilie zu sich. sie ist ein
kränkelndes kind: das virus wurde bei der geburt auch auf sie
übertragen. zur gleichen zeit arbeiten forscher fieberhaft daran das
virus zu isolieren und wirksame substanzen zu erproben. für desiré,
brigitte und emilie kommen die erfolge zu spät.
der autor geht in diesem buch der
geschichte seines onkels nach. anschaulich beschreibt er das leben
seiner grosseltern, die mit stigmatisierung und ausgrenzung ihr
ansehen in der dorfgemeinschaft verlieren. aids ist in jener zeit
eine krankheit der homosexuellen und der heroinabhängigen. der
langen verdrängung von offensichtlichen tatsachen folgen hoffnungen
auf ein wunder, bis diese von der realen auseinandersetzung mit der
wahrheit und dem aufopfernden einsatz der grossmutter abgelöst
werden. in abwechselnden kapiteln wird parallel dazu der langsame und
komplizierte fortschritt der forschung beschrieben. nicht nur erfolge
und misserfolge lösen sich ab, sondern auch das konkurrenzverhalten
und der neid um die erfolge anderer forschender, haben einen einfluss
auf den nur langsam sich einstellenden erfolg. spannend bis auf die
letzte seite gelingt dem autor ein sachlicher,
gesellschaftskritischer und emotional berührender roman.
03.01.2025
sasha filipenko: der kremulator
als jahrelanger direktor der moskauer
krematorien ist pjotr nesterenko mit dem tod vertraut. quer durch
alle schichten der gesellschaft werden menschen unter seiner aufsicht
eingeäschert: normalverstorbene ebenso wie zum tode verurteilte
abweichler, spione, regimegegner und unschuldige. nun steht er selbst
unter anklage und muss sich einem ausgedehnten verhör durch einen
jungen und unerfahrenen leutnant der staatssicherheit stellen.
in diesem buch entlarvt der autor mit
viel sachkenntnis und sehr treffend das funktionieren eines
totalitären systems. wäre es nicht satire, würde sich der text
streckenweise wie eine gerichtsakte lesen. die machtmechanismen und
deren folgen werden schonungslos aufgedeckt, die unzulänglichkeiten
der akteure blossgestellt. trotz allem bleibt dem opfer die hoffnung,
was diesem roman auch etwas versöhnliches gibt.