17.10.2013

uwe tellkamp: der turm

die letzten jahre der ddr in einem real existierenden villenviertel dresdens. seine bewohner und bewohnerinnen leben den alltag im sozialistischen staat, der immer weniger die schwierigkeiten des systems zu verdecken und kompensieren vermag. die probleme der versorgung mit gütern des täglichen bedarfs, die beziehungen, die nötig sind um nichterhältliches zu kriegen und die materiellen sorgen, sind ein teil der geschichte. die vorsicht in beziehungen zu unvertrauten menschen, der ideologische druck am arbeitsplatz und in der oeffentlichkeit, die den alltag dominieren, sind der andere teil. die meisten der hauptfiguren führen für die damaligen verhältnisse ein recht privilegiertes leben.
der letzte sommer der ddr wird durch viel neues und undenkbares eine spezielle zeit für alle, der widerstand beginnt sich zu formieren und das volk geht auf die strasse. für christian, den einen sohn, der seinen wehrdienst ableisten muss, kommt es aber ganz hart. in der armee ist er der staatlichen kontrolle viel stärker ausgesetzt und in den letzten tagen steht er als mitglied der ordnungsmacht gegen seinen willen dem demonstrierenden volk gegenüber.
ausführlich und episch breit sind die verschiedenen geschichten der menschen und ihren abhängigkeiten beschrieben. unendlich viele details des alltags in der ddr erstehen hier noch einmal auf. faszinierend sind immer wieder die momente, in denen menschen, die einander nicht trauen, plötzlich aufgrund äusserer umstände aufeinander angewiesen sind. die jeweiligen annäherungen und das abtasten, wie weit man sich seinem gegenüber öffnen kann werden meisterhaft beschrieben. ein werk, das teilweise als geschichte, teilweise collageartig daherkommt und eine gesellschaft beschreibt, die es nicht mehr gibt, aber deren erfahrungen noch heute in deutschland nachwirken.
der turm ist ein buch, das sich nur mit grosser konzentration lesen lässt, keine leichte literatur. ohne etwas ddr-erfahrung ist es wahrscheinlich nicht ganz leicht zu verstehen, gut, dass es in der beilage zumindest eine aufstellung der wichtigsten personen und deren wohnorte gibt.

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