14.05.2018

klaus cäsar zehrer: das genie

william james sidis kann bereits im alter von zwei jahren lesen und wird von der amerikanischen presse anfangs des 20. jahrhunderts als wunderkind gefeiert. sein vater boris, ein ukrainischer einwanderer, ist psychologe und experimentiert an seinem sohn mit einer erziehungsmethode, von der er glaubt, alle kinder entwickelten sich danach zu genies. zwar kann william komplexe mathematische probleme lösen und hat ein phänomenales gedächtnis, aber er scheitert im leben. als jugendlicher beginnt er sich gegen seine eltern aufzulehnen und verweigert nicht nur den militärdienst, sondern auch den gebrauch seiner fähigkeiten. seine sozialistischen erkenntnisse und sein kampf für eine gerechtere welt scheitern genau so, wie seine grosse liebe.
dieser historisch belegte roman der lebensgeschichte eines ausserordentlichen, aber auch zu tiefst unglücklichen menschen liest sich nicht immer ganz einfach. die streckenweise grosse detail­versessenheit des autors führt oft zu längen und lässt einen die spannung vermissen. trotz der vielen beschreibungen ergibt sich beim lesen kein klares bild von william. der hass auf seine eltern und die beziehung zu seiner einzigen schwester bleiben diffus. die emotionale seite dieses lebens bleibt hinter dem sachlichen bericht zurück. es bleibt letztlich der eindruck, eher eine journalistische berichterstattung, denn einen roman gelesen zu haben.

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