das dorf seiner jugend, in dem er in
grosser armut aufwächst ist der ort, den er hinter sich lassen will.
er schafft es aufs gymnasium in amiens, der nächstgrösseren stadt. auf der schule findet er in elena eine freundin, mit der er viel zeit
verbringt und von deren eltern er wie ein sohn aufgenommen wird. mit
aller energie will er seine herkunft abstreifen, verändert sein
verhalten und seine sprache, lernt menschen kennen, die ihm neue
perspektiven eröffnen. das ihm zunächst als eldorado erscheinende
amiens verliert aber seine attraktivität, sein neues ziel ist in
paris zu leben. er schämt sich seiner herkunft. getrieben von seinem
zwang, der armut zu entfliehen und ein anderer zu werden, verbringt
er jahre der unruhe und zweifel. er folgt seinen träumen, will
berühmt werden, um es letztlich denen in seinem herkunftsdorf, die
ihn verachtet haben, zu zeigen. mit grosser anstrengung und disziplin
erreicht er sein ziel. doch bleibt er letztlich seiner vergangenheit
verbunden, mit der er sich auch irgendwie versöhnt.
ein weiteres autobiografisches buch von
édouard louis mit den bereits bekannten themen seiner herkunft und
der damit verbundenen armut, die er hinter sich lassen will. trotzdem
ist es wieder spannend und eindringlich zu lesen, weil er meisterhaft
versteht nicht nur die zustände zu beschreiben, sondern sich auch
immer einer kritischen selbstreflexion unterzieht. trotz aller
zielstrebigkeit bleibt er immer bei sich und hinterfragt sein
handeln, betrachtet sich von aussen. extrem ehrlich mit sich selbst
und authentisch fragt er sich auch, inwieweit er menschen, die ihm
begegneten für seinen weg missbraucht hat. auch scheut er sich nicht
über seine teilweise misslichen sexuellen abenteuer zu berichten.
zutiefst menschlich kommt dieses dilemma eines jungen mannes daher,
der nicht nur in armut gross wird, sondern auch seine homosexualität
entdeckt.
ob das ganze – wie es der buchtitel
verkündet – als «anleitung ein anderer zu werden» taugt, lasse
ich dahin gestellt.
23.12.2022
édouard louis: anleitung ein anderer zu werden
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