die jugendjahre der vier frauen fallen
in die zeit des politischen umbruchs nach dem ende der sowjetunion
und der schwierigen gründung des eigenen staates in ihrer heimat
georgien. dina, nene, ira und keto, die die geschichte erzählt,
stehen sich seit ihrer schulzeit sehr nahe und bilden, trotz
verschiedener charaktere eine eingeschworenen gemeinschaft. sie
erleben ihre erste liebe, aber auch viel gewalt und unsicherheit in
einer zeit, wo clans um einfluss und macht kämpfen. der
neugegründete staat steht auf schwachen füssen,
bürgerkriegsähnliche zustände kommen auf. es gibt momente, in
denen die jungen frauen abenteuerliche entscheide treffen müssen,
bis tod und verrat sie auseinander treiben, jede ihren eigenen weg
geht. etwa 30 jahre später treffen sich drei von ihnen wieder an
einer ausstellung von fotografien der nicht mehr lebenden dina. hier
finden sie irgendwie wieder zueinander.
ein spektakulärer und emotionaler
roman, der über 800 seiten einen sog ausübt, dem man unausweichlich
unterliegt. die reiche sprache mit kunstvollen sätzen lässt einen
wunderbaren lesefluss erleben. trotz der vielschichtigen erzählung
und der vielen figuren geht die orientierung nicht verloren.
meisterhaft versteht es die autorin vor dem hintergrund der damaligen
politischen und gesellschaftlichen ereignisse die persönlichen
geschichten der vier frauen aufleben zu lassen. ihre träume, wünsche
und unterschiedlichen lebensziele kollidieren immer wieder mit einer
männerdominierten gesellschaft, die sich nur ganz langsam zu
verändern beginnt. die handlung, die zwischen brutalität und
sinnlichkeit pendelt, nimmt einen unweigerlich gefangen. keto, die
ich-erzählerin, reflektiert, analysiert und beschreibt daneben immer
wieder, was dies alles in ihr auslöst. dieser blick in ihre
gedankenwelt spiegelt auf eine spannende und tiefgründige art die
realen ereignisse, denen die menschen ausgesetzt sind.
06.12.2022
nino haratischwili: das mangelnde licht
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