06.12.2022

nino haratischwili: das mangelnde licht

die jugendjahre der vier frauen fallen in die zeit des politischen umbruchs nach dem ende der sowjetunion und der schwierigen gründung des eigenen staates in ihrer heimat georgien. dina, nene, ira und keto, die die geschichte erzählt, stehen sich seit ihrer schulzeit sehr nahe und bilden, trotz verschiedener charaktere eine eingeschworenen gemeinschaft. sie erleben ihre erste liebe, aber auch viel gewalt und unsicherheit in einer zeit, wo clans um einfluss und macht kämpfen. der neugegründete staat steht auf schwachen füssen, bürgerkriegsähnliche zustände kommen auf. es gibt momente, in denen die jungen frauen abenteuerliche entscheide treffen müssen, bis tod und verrat sie auseinander treiben, jede ihren eigenen weg geht. etwa 30 jahre später treffen sich drei von ihnen wieder an einer ausstellung von fotografien der nicht mehr lebenden dina. hier finden sie irgendwie wieder zueinander.
ein spektakulärer und emotionaler roman, der über 800 seiten einen sog ausübt, dem man unausweichlich unterliegt. die reiche sprache mit kunstvollen sätzen lässt einen wunderbaren lesefluss erleben. trotz der vielschichtigen erzählung und der vielen figuren geht die orientierung nicht verloren. meisterhaft versteht es die autorin vor dem hintergrund der damaligen politischen und gesellschaftlichen ereignisse die persönlichen geschichten der vier frauen aufleben zu lassen. ihre träume, wünsche und unterschiedlichen lebensziele kollidieren immer wieder mit einer männerdominierten gesellschaft, die sich nur ganz langsam zu verändern beginnt. die handlung, die zwischen brutalität und sinnlichkeit pendelt, nimmt einen unweigerlich gefangen. keto, die ich-erzählerin, reflektiert, analysiert und beschreibt daneben immer wieder, was dies alles in ihr auslöst. dieser blick in ihre gedankenwelt spiegelt auf eine spannende und tiefgründige art die realen ereignisse, denen die menschen ausgesetzt sind.

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