05.12.2020

joachim b. schmidt: kalmann

raufarhöfn ist ein aussterbendes dorf an der isländischen nordküste. hier lebt kalmann óðinsson, eine art dorforiginal. er ist der selbsternannte sheriff des dorfes und sorgt dafür, dass alles seine ordnung hat. sein grossvater brachte ihm alles über die jagd und den haifischfang bei, also alles, was man zum leben hier braucht. in der schule war er damals wie man heute sagen würde — eher leistungsschwach. das wohlgeordnete und beschauliche leben findet ein abruptes ende, als kalmann auf der jagd, kurz nach dem verschwinden des besitzers des einzigen hotels im dorf, auf eine grosse blutlache im schnee stösst. eine kommissarin aus reykjavik beginnt mit der untersuchung des falls und verhört kalmann, was ihn sehr nervös macht. eine ganze spezialeinheit der polizei fällt ins dorf ein und bringt viel unruhe mit. aber irgendwie schafft es kalmann nicht zuletzt dank seinem mut, aber auch seiner naivität und ehrlichkeit aus der ganzen sache beinahe als held herauszukommen.
eine phantastische handlung und die plastische beschreibung isländischen lebens, vor allem aber diese einzigartig facettenreiche und präzise annäherung an einen menschen, der trotz gewissen defiziten seinen platz in der gesellschaft gefunden hat, sind die grosse stärke dieses romans. mit der liebevollen und subtilen beschreibung von kalmanns emotionen, seiner wut, seiner sehnsüchte und unerfüllten wünsche, aber auch seiner abhängigkeiten und missgeschicke versteht der autor ihn würdevoll darzustellen. geschickt wird die ganze geschichte aus der perspektive des hauptprotagonisten erzählt und lässt einen so beim lesen immer auf dessen seite stehen. daneben kreuzen die teils kauzigen dorfbewohnerinnen und -bewohner auf unterschiedliche art und weise den weg kalmanns. trotz der immer präsenten kriminellen handlung, die ein kaum erwartetes ende findet, steht kalmann, sein leben und handeln im vordergrund. das buch ist ein weises und grosses lesevergnügen und setzt menschen, die etwas am rand stehen, ein denkmal.

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