02.04.2021

michela murgia: accabadora

maria, das vierte kind einer armen familie, wird von der alleine lebenden bonaria aufgenommen, wird quasi zu ihrem adoptivkind. schnell fühlt sich maria geborgen und wohl im neuen haus und entwickelt sich zu einer fleissigen tochter und guten schülerin; mit ihrer neuen mutter hat sie ein vertrautes und gutes verhältnis. bonaria geht hin und wieder nachts aus dem haus und kehrt dann oft erst gegen den morgen zurück. sie ist eine accabadora, eine sterbeamme, die es in der tradition sardiniens bis mitte des 20. jahrhunderts gegeben haben soll: frauen, die den in agonie liegenden sterbenden die leidenszeit verkürzten. alle im dorf wissen davon, nur maria nicht. als sie es erfährt, verlässt sie bonaria und kehrt erst zurück, um sie zu pflegen als diese im sterben liegt.
subtil erzählt die autorin die geschichte um dieses schwierige thema einer besonderen art von sterbehilfe. der gesellschaftliche konsens über etwas, das streng juristisch nicht sein darf, das aber allen bekannt ist und über das niemand öffentlich redet, beleuchtet eine ganz spezielle tradition. die bodenständige handlung kontrastiert den ethischen diskurs auf eine ganz besondere weise und eröffnet ein ganz besonderes leseerlebnis.

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