05.05.2020

philippe lançon: der fetzen

der bericht beginnt am vorabend eines ereignisses, das für ihn alles vollständig verändert. ein schöner abend mit einem theaterbesuch ist der letzte abschnitt seines bisherigen lebens. als er am nächsten morgen in der redaktionskonferenz von charlie hebdo in paris sitzt, dringen zwei terroristen in die räume ein und schiessen um sich. einige seiner kollegen sind sofort tot, einige überleben. philippe lançon bleibt schwerverletzt liegen und erlebt das grauen bei vollem bewusstsein. sein rechter unterkiefer ist durch einen schuss zerfetzt. was folgt ist ein monatelanger krankenhausaufenthalt mit unzähligen operationen. ein langwieriger genesungsprozess mit rückschlägen und fortschritten reduzieren ihn immer wieder auf schmerzen und leiden. in der kleinen geborgenen welt seines zimmers besuchen und unterstützen ihn seine freunde, hier beginnt er auch schon wieder zu arbeiten. aerztinnen, das pflegepersonal und die zu seiner bewachung abgestellten polizisten werden zu mehr als professionellen bezugspersonen. der anschlag hinterlässt nicht nur körperliche verletzungen, das ueberleben wird zeitweise lebensbedrohlich. auch in momenten der verzweiflung verliert er aber seinen lebensmut nicht und führt den kampf zurück ins leben, der ihn mit einigen unerwarteten schwierigkeiten konfrontiert.
mit einer enormen präzision beschreibt philippe lançon seine gefühle, befindlichkeit und beobachtungen während dieses langen spitalaufenthaltes und trotzdem kann man beim lesen sein unfassbares leiden nur erahnen. dazwischen leuchten immer wieder schöne momente guter begegnungen und fortschritte in der genesung auf. sein humor und sein zeitweise etwas sarkastischer blick auf die ihn umgebende und umsorgende welt lassen hoffen, dass er die herausforderung schafft. seine reflexion über abhängigkeit und macht als patient, über nähe und distanz zwischen ihm und dem personal werfen ein differenziertes licht auf dieses komplexe gefüge eines krankenhauses. letztlich sind es die menschlichen stärken einzelner, die ihm weiterhelfen, zurück zu sich zu finden und auch seine angst vor der entlassung zu bewältigen. dieses buch ist ein eindrückliches zeugnis davon, wie ein mensch eine existenzielle krise durchlebt und bewältigt.

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