03.07.2020

nino haratischwili: das achte leben (für brilka)

zu beginn des 20. jahrhunderts kommt stasia zur welt, die tochter eines erfolgreichen georgischen schokoladefabrikanten. mit diesem ereignis beginnt eine bewegte und weitverzweigte familiengeschichte über sechs generationen, die von stasias urenkelin niza für ihre nichte brilka aufgeschrieben und erzählt wird. vor dem hintergrund des untergehenden zarenreiches, von siebzig jahren sowjetunion und dem freiheitskampf der georgier berichtet dieser episch breite roman über eine ursprünglich wohlhabende familie. wie ein roter faden zieht sich das leben der uralt werdenden stasia durch das ganze jahrhundert. jede generation kämpft mit neuen herausforderungen, doch das grundthema bleibt immer dasselbe: nicht standesgemässe liebesbeziehungen, der machterhalt und eine aus den konventionen ausbrechende jugend. doch die weisheit und toleranz der alternden frauen vermögen die sippe zusammenhalten.
auf diesen 1275 nicht nur spannenden sondern auch unterhaltsamen seiten ist kein satz zu viel. geschickt bettet die autorin diese familiensaga in die geschichtlichen ereignisse ein. wunderbar detailliert gezeichnete figuren und bildhafte beschreibungen von orten und landschaften lassen einen schnell in diese welt eintauchen. auch fasziniert die kluge erarbeitung der frauen- und männerrollen in einem sich nur langsam auflösenden patriarchat. treffend beschreibt sie die divergenz zwischen wunsch und realität, die menschen im oft ignoranten und korrupten system gefangen hält. in dem gegen schluss immer manifester werdenden sozialen gefälle der gesellschaft fragen sich die menschen, wohin sie in diesem zaghaft einsetzenden politischen frühling eigentlich gehören. ein spannendes und aufregendes buch, in dem man trotz der sich weit ausbreitenden erzählung und der verschiedenen beteiligten personen nie den ueberblick verliert und das erstaunlicherweise ganz ohne cliffhanger die spannung bis zum schluss hält.



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